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Zum Tod des Schiftstellers, Grün-Denkers und widerständigen Katholiken Carl Amery.

Linkskatholik, bayerischer Weltbürger oder ökologischer Vordenker waren Etiketten, die man ihm gerne umhängte. Carl Amery mochte sie nicht, der Schriftsteller wehrte sich gegen handliche Kurzformeln, auch wenn es um ihn selbst ging. Geboren wurde er 1922 als Christian Mayer, aber sein erster Verleger erklärte ihm, so könne man nicht heißen als Autor. Also wurde Mayer zu Amery - wie auch bei Jean Améry, ohne dass die beiden damals von einander wussten. 1958 nahm er im Roman "Die große deutsche Tour" die Adenauerzeit satirisch aufs Korn, der ebenso wie "Die Wallfahrer" oder "Das Geheimnis der Krypta" zum festen Bestandteil deutscher Literatur gehören. In der Wendezeit, 1989-1991, war Amery Präsident des deutschen pen-Zentrums.

Einer großen Öffentlichkeit bekannt wurde Carl Amery mit seinem Essay "Die Kapitulation oder Deutscher Katholizismus heute". Die deutsche Bischofskonferenz hat daraufhin gegen ihn und Heinrich Böll einen eigenen Hirtenbrief verfasst. Dabei war Amery ganz "in Rufweite der Kirchtürme" aufgewachsen und dafür durchaus dankbar - für ihn war das der Rückhalt gegen jede Faszination durch den Nationalsozialismus. Der bekannte Essay "Das Ende der Vorsehung" ging der Mitschuld des Christentums an der Zerstörung der Natur nach. Amery, der aus Protest gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik in die spd eingetreten war, wurde zu einem Gründungsvater der Grünen.

Messerscharfe Essays

In seinem letzten Lebensjahren war es Carl Amery infolge eines Medikaments nicht mehr möglich, große fiktionale Romanwelten zu entwerfen, aber das Überleben der Biosphäre war ihm auch wichtiger geworden als die Literatur. Umso engagierter feilte er an seinen messerscharfen Essays. "Hitler als Vorläufer" (1988) stellte die provozierende Frage: Was ist, wenn die Ressourcen der Erde nicht mehr für alle reichen? Er warnte vor neuen, verfeinerten Selektionsmechanismen. Den Totalen Markt einzudämmen und die Alternativlosigkeit unseres Wirtschaftssystems nicht zu akzeptieren, war das Anliegen seines letzten Buches "Global Exit" (2002), und dabei setzte er durchaus auch auf die Kirchen. Wenige Wochen vor seinem Tod am 24. Mai konnte er noch die von ihm herausgegebenen "Briefe an den Reichtum" präsentieren.

Leidenschaftlich setzte sich der Vater von fünf Kindern für Solarenergie und gegen die Privatisierung der städtischen Wasserversorgung ein. Fabulierkunst und Lust an der Debatte prägten auch jedes Gespräch mit ihm und machten ihn zu einem faszinierenden Partner für Rundfunk- oder Fernsehsendungen. Bayer war er mit Herz und Hirn - mit seiner aus Amerika stammenden Frau sprach er Englisch, bis sie sein Bayrisch verstand; Hochdeutsch war für ihn keine Herzenssprache.

Reale Historie und Fantasy, Theorie und Roman, politisches Engagement und widerständige Religiosität wusste Carl Amery zu verbinden wie kein anderer. Er dachte global und kritisierte, wenn "Globalisierung" nur die Kapitalströme meint; aber keine Initiative war ihm zu klein für lokales Handeln. Carl Amerys Platz bleibt schmerzlich leer - denkerisch, literarisch und menschlich.

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