Dogman - © Polyfilm

"Dogman" von Luc Besson: Eine ungewöhnliche Filmerfahrung

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Luc Besson im Gespräch über seinen neuen Film „Dogman“: Ein Regisseur, der sowohl als Kultfigur als auch als streitbarer Filmemacher bekannt ist, erfindet sich einmal mehr neu.

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Luc Besson im Gespräch über seinen neuen Film „Dogman“: Ein Regisseur, der sowohl als Kultfigur als auch als streitbarer Filmemacher bekannt ist, erfindet sich einmal mehr neu.

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Der französische Regisseur Luc Besson ist sowohl Kultfigur als auch streitbarer Filmemacher: Als solcher hat er Meisterstücke wie „Das fünfte Element“, „Nikita“ oder „Leon – Der Profi“ vollbracht, doch im Zuge der „MeToo“-Debatte ist Besson auch der Vergewaltigung bezichtigt worden – wovon er kürzlich freigesprochen wurde. Ein Schatten aber bleibt, wenn es um die Rezeption seiner Werke geht.

In Venedig stellte Besson seinen neuen Spielfilm „Dogman“ vor, die Geschichte um Douglas (Caleb Landry Jones), der schon als Kind von seinem Vater schwer misshandelt und von ihm zu den Kampfhunden in den Käfig gesperrt wurde. Die haben das Kind allerdings nicht zerfleischt, sondern verschont und beschützt. Heute lebt der im Rollstuhl sitzende Douglas mit einer Unzahl von Hunden zusammen, sie sind sozusagen seine Familie. Ein durchaus absurder Plot, jedoch ist es gerade bei Besson nicht selten der Fall, dass seine visuelle Vorstellungskraft seine oftmals bizarren Geschichten soweit überhöht, dass man ihm allerhand verzeiht. „Dogman“ wechselt von Slapstick zu Drama und zurück, und Caleb Landry Jones ist in jeder Phase mit vollem Einsatz dabei.

„Es ist viel Persönliches in dem Film, ich liebe Hunde und hatte als Kind einen, der für mich eine Art bester Freund gewesen ist“, so Besson beim Interview in Venedig. „Dogman“ werden die Hardcore-Fans von Besson lieben, alle anderen werden eine Filmerfahrung mit nach Hause bringen, die ungewöhnlich ist, auch und gerade, weil sie von einem Regisseur stammt, der durchaus immer auch die Orgel des Mainstream zu bespielen wusste, diesmal aber in einer sehr schrägen Geschichte wenig Elemente des Blockbusterkinos verwebt.

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DIE FURCHE: Monsieur Besson, viele Leute schrieben, „Dogman“ sei das lang erwartete Comeback von Ihnen. Was denken Sie?

Luc Besson: Es ist bestimmt kein Comeback, denn ich bin ja niemals weg gewesen. Während der Pandemie habe ich die Zeit genutzt, um vorwiegend zu schreiben und Projekte zu entwickeln. Jeder verarbeitet seine inneren Dämonen anders, manche trinken oder nehmen Drogen. Bei mir ist es das Schreiben, über das ich meine dunkle Seite verarbeite.

Jeder verarbeitet seine inneren Dämonen anders, manche trinken oder nehmen Drogen. Bei mir ist es das Schreiben, über das ich meine dunkle Seite verarbeite.

Luc Besson

DIE FURCHE: Hat die Pandemie für Sie also auch Vorteile gehabt? Die Konzentration auf die eigene Arbeit?

Besson: Das kann man so sagen, ja. Aber man reflektiert in solchen Zeiten auch anders. Ich bin inzwischen 64 Jahre alt, und es schwirrt immer die Frage im Raum mit, wie viel Zeit einem noch bleibt. Und was man noch zu sagen hat. Ich fände es schlimm, wenn die Leute sagen: Ja, früher war der mal gut, aber jetzt? Dann würde ich lieber aufhören. Aber ich glaube, ich habe noch ein, zwei gute Ideen auf Lager.

DIE FURCHE: Etwa die Idee, einen Mann unter Hunden aufwachsen zu lassen?

Besson: Die Inspiration für diesen Film kam teilweise aus einem Artikel, den ich über eine französische Familie las, die ihr eigenes Kind mit fünf Jahren in einen Käfig sperrte. Daraus ergab sich die Frage, was das mit einem Menschen macht - geistig wie sozial. Wie überlebt jemand so etwas und was macht er mit seinem Leid? Ich wollte diese Idee mit „Dogman“ erforschen.

DIE FURCHE: Was war Ihr Ausgangspunkt?

Besson: Das Leiden ist etwas, das wir alle gemeinsam haben, und das einzige Gegenmittel dagegen ist Liebe. Die Gesellschaft wird dir nicht helfen, aber die Liebe kann helfen, zu heilen. In diesem Fall ist es die Liebe einer Gemeinschaft von Hunden, die hier zum Tragen kommt; die Hauptfigur sozialisiert sich mit dem Rudel, und wird dann auch zu deren Heiler und Katalysator. Ich wollte mit dem Film so ehrlich sein, wie es mir möglich war. Ich möchte, dass man mit dem Protagonisten mitfühlt - die Handlungen, die er unternimmt, und die Handlungen, die er als Reaktion auf das Leid, das er erfahren hat, unternimmt. Man möchte mit ihm mitfiebern.

DIE FURCHE: Dafür brauchten Sie aber große Authentizität, um das glaubhaft zu machen.

Besson: Ja, diese Authentizität brauche ich immer, denn bei einem Spielfilm handelt es sich um eine fiktive Geschichte, die die Zuschauer aber am Ende doch auch irgendwie glauben müssen, um mitzugehen. Man will im Kino ja eine Wahrheit sehen, auch wenn es keine faktische Wahrheit ist, sondern eine, die man glauben kann.

Luc Besson - © Foto: APA / AFP / Gabriel Bouys

Luc Besson

Der 64-Jährige ist einer der Star- und Kultregisseure des französischen Kinos.

Der 64-Jährige ist einer der Star- und Kultregisseure des französischen Kinos.

DIE FURCHE: Was uns direkt zu Ihrem Hauptdarsteller Caleb Landry Jones führt.

Besson: Dogman wäre nicht der Film, der er ist, ohne Caleb Landry Jones. Diese komplizierte Figur brauchte jemanden, der die Herausforderungen, die Traurigkeit, die Sehnsucht, die Stärke und die Komplexität verkörpern konnte. Ich hoffe, dass die Zuschauer in ihrem eigenen Kopf nachempfinden können, was Dogman durchgemacht hat, den Schmerz, der wirklich schwer zu schlucken ist. Er hat mehr gelitten, als die meisten Menschen jemals erleiden werden, und doch hat er noch seine Würde behalten.

DIE FURCHE: Was macht Caleb Landry Jones besonders?

Besson: Er passt perfekt zu meinen Ansprüchen als Regisseur. Caleb ist ein unglaublich vielseitiger Schauspieler, und er kennt meine Filmografie gut, was niemals schaden kann. Ich habe schon etliche junge Schauspieler erlebt, die zu mir gesagt haben: „Ich kenne zwar deine Filme nicht, aber meine Eltern fanden sie ganz toll“. Man nimmt das dann mit einem Lächeln zur Kenntnis und sagt sich: So ist eben das Leben.

DIE FURCHE: „Dogman“ ist ihr 20. Film. Ihre Filmografie ist voll von Sci-Fi, Action oder Animation. Was reizt Sie denn sonst noch?

Besson: Ich kann eine solche Einteilung in Genres gar nicht vornehmen, denn mir geht es mehr um emotionale Impulse von Situationen und Figuren. Ich denke nicht: „Ich habe dieses Filmgenre schon einmal gemacht, also sollte ich es lieber nicht noch einmal tun“. Das Genre ist für mich zweitrangig - was wichtig ist, ist der emotionale Ruf einer Figur. Denn das ist es, was bleibt, nachdem man einen Film gesehen hat.

Dogman - © Polyfilm
© Polyfilm
Film

Dogman

Regie Luc Besson
Frankreich, 2023
Mit Caleb Landry Jones, Jojo T. Gibbs.
Polyfilm. 113 Minuten.

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