Frauenbefreiung, russisch teuflisch

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Wenn gut Ding Weile braucht - 77 Jahre hat die "Lady Macbeth von Mzensk“ von Dmitri Schostakowitsch bis zur Erstaufführung an der Grazer Oper gebraucht - und das endliche Ergebnis so wie jene Co-Produktion der Wiener Staatsoper mit der Oper Graz unter dem Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann als hochmusikalischem Regisseur gelingt, dann hat man gerne gewartet. Jede solistische Geste, jede Chorbewegung erscheinen da choreografiert, jede seelische Regung wirkungsvoll (panto)mimisch umgesetzt.

Da stört es nur wenig, dass die sehens- und hörenswerte Mlada Khudoley, eine gebürtige Moskauerin mit amerikanischer Staatsbürgerschaft, als Katerina Ismailowa eine verruchte rote Mähne trägt wie eine Dame vom einschlägigen Gewerbe.

Ihre teuflische Methode der Emanzipation vom bedrohlich um sie herum schnobernden Schwiegervater Boris mittels Rattengift in einem Pilzgericht ist da nicht bewundernswert als Frauenbefreiungsakt. Sondern wie dann die Abschlachtung des ungeliebten Ehemannes Sinowi schlicht Mord ist.

Präzise Aufführung

Wie schon 2009 am Wiener Ring, liegt auch am Grazer Opernring eine gestürzte Stalin-Büste an der Rampe. Als Erinnerung daran, wie Väterchen Stalin den Komponisten kujoniert hat. In ihrem Hohlkopf ist das Rattengift versteckt. Sonst dominiert auch in Graz ein Ehebett (Bühne: Volker Hintermeier) das karge Einheitsbühnenbild, das schließlich vom beklemmenden Nachtlager der nach Sibirien getriebenen Strafgefangenen atmosphärisch überzeugend getoppt wird.

Der szenischen Präzision entspricht in der Grazer Oper die musikalische. Johannes Fritzsch lässt zwar das Grazer Philharmonische Orchester nicht so aggressiv laut, atonal scharf und guignolhaft wild losmusizieren, formt aber immer die russisch singenden Sänger stützend plausible Psychogramme und eindeutig erregte Erotica. Für eine Blech-Band auf der Bühne gibt es Spontan-Applaus. Der satirisch-sardonische Humor der wilden Partitur kommt zugespitzt aus dem Orchestergraben.

Mlada Khudoley, über drei Stunden fast immer auf der Bühne, stemmt ihre drei großen Monologe mit unerschöpflichen vokalen Reserven. Michail Ryssov terrorisiert mächtig die Leben aller seiner Leibeigenen, vom Sohn (Taylan Memioglu) bis zur ungebärdigen Schwiegertochter. Mit frecher Attacke charakterisiert Herbert Lippert den Frauenhelden Sergej. Orgelnd gestaltet Konstantin Sfiris den Popen. Subtil interpretiert Wilfried Zelinka die Klage eines Deportierten. Stark als Polizistenkarikatur David McShane. Wie die Protagonisten, alle Rollendebütanten, bewältigt die junge Deutsche Kristina Antonie Fehrs aus dem Opernstudio eindrucksvoll die Koketterie der Sonjetka.

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