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Christliche Humanität

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„Angesichts der ganzen Größe der Weltgeschicke und Weltgerichte, die sich heulte vollstrecken, erscheinen persönliche Erinnerungen wie eine unzeitgemäße Aufdringlichkeit...“ Mit diesen Worten beginnt Friedrieh Wilhelm Foerster sein Memoirenwerk „Erlebte Weltgeschichte“. Sein eigenartiges Schicksal ist der Grund, daß er, der älteren Generation durch sein zahlreiches Schrifttum und persönliche Begegnungen bekannt, den Jungen vorgestellt werden muß. Denn auf kaum einen anderen Deutschen trifft das Wort Heinrich Heines „wo Bücher verbrannt werden, da werden Menschen verbrannt“, in ärgerem Maße zu als auf Foerster. Nachdem er bereits nach Rathenaus Ermordung Deutschland hatte verlassen müssen, fielen seine Schriften dem Sturm der Nationalsozialisten zum Opfer. Von diesen Angriffen hat

sich Foerster nicht mehr erholt. Als er vor drei Jahren fast völlig erblindet und innerlich vereinsamt in Zürich starb, blieb nur noch ein kleiner Kreis von Verehrern übrig. Friedrich Wilhelm Foerster wurde also vor 100 Jahren zu Berlin geboren. Nach den Gymnasialjahren folgten Studien in Berlin und Freiburg im Breisgau, wo er 1893 mit einer Dissertation über Kants Ethik zum Doktor der Philosophie promoviert wurde. Noch im selben Jahr ging er nach England, um dort die Bildungsprobleme der Arbeiterschaft zu studieren. Als kurz nach seiner Rückkehr Kaiser Wilhelm II. am Tag von Sedan die deutsche Arbeiterschaft eine „vaterlandslose Rotte“ nannte, die nicht wert sei, den deutschen Namen zu tragen, nahm Foerster in der Zeitschrift „Ethische Kultur“ in scharfer Form dagegen Stel-

lung: Man müsse den arbeitenden Klassen zuerst ein wirkliches Vaterland schaffen, bevor man vaterländische Gesinnung von ihnen erwarten dürfe. Diese mutige Kritik trug Foerster eine drei Monate währende Festungshaft in Weichselmünde ein. Foerster habilitierte sich daraufhin in Zürich konnte seine venia legendi jedoch nicht lange ausüben, da er mit seiner Vorlesung „Autorität und Freiheit — Betrachtungen zum Kulturproblem der Kirche“ — eine heftige Debatte zwischen Katholiken und Liberalen entfacht hatte. Im Jahre 1913 wurde er auf Wunsch des österreichischen Pädagogen Otto Willmann auf einen außerordentlichen Lehrstuhl für Pädagogik nach Wien berufen. Noch im selben Jahr, als schon viele Anzeichen den Ausbruch eines großen Konfliktes im Vielvölkerstaat der Donaumonarchie

• Das österreichische Barockmuseum im Unteren Belvedere ist in den Monaten Juli und August, jeweils am Donnerstag von 20 bis 22 Uhr, für den Abendbesuch mit Führungen geöffnet. Eintritt: S 5.—.

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