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Die Reise zum „großen Bruder“

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Präsident J. Goulart und sein 150köpfiges Gefolge sind von den Vereinigten Staaten und Mexiko nach Brasilien zurückgekehrt.

Als Eisenhower vor zwei Jahren von seinem südamerikanischen Höflichkeitsbesuch heimgekehrt war, wagte selbst die demokratische Presse in Rio de Janeiro, Buenos Aires, Santiago und Montevideo nicht, die Frage zu beantworten: Wird Nordamerika wieder der „große Bruder“ der amerikanischen Völkerfamilie, der es vor hundert Jahren war, als Lateinamerika die spanische Kolonialherrschaft abschüttelte? Die konservative „Gazeta“ in Sao Paulo meint jetzt: „Mit einem Wort gesagt, der Staatsbesuch unseres Präsidenten hat die alte, doch seit Kubas Abfall sehr brüchig gewordene Solidarität neu gegründet. Amerika ist wieder der große Bruder.“

Ein überraschendes Ereignis von weltweiter Bedeutung. Der Wiederanschluß an die freie Welt ist gekennzeichnet durch zwei Namen: Kennedy und Goulart. Der vielgepredigten „Politik der guten Nachbarschaft“, wie Roosevelt sie nannte, ist endlich die Seele eingehaucht worden. Am schnellsten begriff die PC, die kommunistische Partei, den Wettersturz. Ihre vierzig Gazetten speien Gift und Galle gegen J. Goulart, der letztes Jahr noch von Chruschtschow als Genosse gefeiert wurde. Der eben in Rio aufgezogene Sowjetbotschafter bekam damit sehr rasch einen Dämpfer. Die ganz im „Prawda“-Stil abgefaßte Kriegserklärung der PC an die Regierung mag ihn trösten. Als der brasilianische Präsident vor seinem Abflug nach den Vereinigten Staaten ankündigte, er werde Kennedy einen Plan für die Nationalisierung sämtlicher nordamerikanischer Unternehmungen öffentlichen Dienstes, wie „International Telephone & Telegraph Co.“ (Wert zirka 240 Millionen Dollar), vorlegen, da begleiteten Goulart noch die besten Wünsche der Kommunisten.

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