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"Hoffmanns Erzählungen" von Jacques Offenbach an der Wiener Volksoper.

Der Jahrmarkt als Kulisse alptraumhafter Halluzinationen: Dieses in den 1960er Jahren gerne gebrauchte Bild erfreut sich offenbar wieder wachsender Beliebtheit. Kürzlich durchlebten die Protagonisten der Haydn-Oper "Orlando paladino" am Theater an der Wien einen Psychotrip zwischen Spiegelkabinett und Achterbahn, nun wird an der Volksoper der Titelheld von Jacques Offenbachs Oper "Hoffmanns Erzählungen" von psychoanalytisch zu deutenden Visionen geplagt, in denen sich Schausteller und lebende Jahrmarktsattraktionen tummeln. So richtig zündet das kopflastige Konzept von Regisseur Peer Boysen nicht; das Ergebnis ist eine lauwarme Aufführung, die sich auch musikalisch und gesanglich - mit einer Ausnahme - in der Durchschnittlichkeit bewegt.

Gesungen wird auf Deutsch, gespielt wird die traditionelle Version der unvollendeten Oper ("Choudens-Fassung"), wobei auch der jüngere Wissensstand eingeflossen ist ("Oeser-Fassung"). Konkret bedeutet das, dass an der Volksoper die Figur der Muse (Eva Maria Riedl) von Anfang an mit dabei ist und sich der Identität von Hoffmanns Freund Niklas bemächtigt. Während der gesamten Aufführung ringen die Muse und Stella (Doris Hindinger), also die Kunst und die Liebe, als symbolische Figuren um die Aufmerksamkeit des Dichters. Die drei Geliebten Hoffmanns sind nur Allegorien der Liebe: Olympia (Daniela Fally), die missgestaltete Attraktion einer Freak-Show, Antonia (Kristiane Kaiser), die Dame mit den langen Haaren, Giulietta (Adrineh Simonian), die vulgäre Prater-Dirne. Die männlichen Figuren sind allesamt als sinistre und suizidgefährdete Jahrmarktskünstler angelegt, die vor den Spiegeln ihrer Garderoben in verschiedene Kostüme schlüpfen.

Am Ende der psychedelischen Story erwacht Hoffmann aus seinem Alptraum und sucht ernüchtert das Weite. Sergej Khomovs Stimme lässt mitunter etwas zu wünschen übrig, dafür trägt er des Titelhelden schwierige Ballade vom Zwerg Kleinzack ausdrucksstark mit dem gebotenen Zynismus vor. Das Volksopernorchester unter Leopold Hager geht vor allem zu Beginn hölzern und grobschlächtig zu Werke, findet aber später, etwa bei der berühmten "Barkarole", doch noch zu einer gewissen Raffinesse. Der - auch vom Publikum als solcher akklamierte - musikalische Höhepunkt des Abends ist die "Spiegel-Arie" des Dapertutto. Hier krönt Jochen Schmeckenbecher, der die vier Hoffmann das Leben schwer machenden dämonischen Finsterlinge verkörpert, seine sehr gute Leistung.

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