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Bildgewordene Poesie

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Zeitlebens arbeitete er mit seiner Graphik dem Verlust unseres kulturellen Gedächtnisses entgegen und geriet darüber selbst beinahe in Vergessenheit: Karl Rössing (1897 bis 1987). Zum 100. Geburtstag widmet ihm das Kunsthistorische Museum - gemeinsam mit dem Salzburger Rupertinum, das über einen Teil des Nachlasses verfügt - eine Retrospektive im Wiener Palais Harrach.

In Gmunden als Sohn niedersächsischer Eltern geboren, machte Rössing zunächst als Buchillustrator Furore. Dabei entdeckte er den Holzstich, der bis zu jener Zeit als reine Reproduktionstechnik gehandhabt worden war, als Aus-drucksmittel seiner literarisch höchst einfühlsamen Einbildungskraft.

Als Verehrer von Karl Kraus nahm Rössing auch gesellschaftliche Mißstände aufs Korn. Eine Auswahl solcher Blätter erschien 1932 in Berlin unter dem Titel „Mein Vorurteil gegen diese Zeit”.

Nach seiner Lehrtätigkeit in Essen und Berlin war er zuletzt (bis 1960) der „gegenständliche Pol” an der Akademie in Stuttgart. Dennoch paßt Bössings Werk in keine moderne Stilrichtung. Das zeigt sich vor allem in den seit den fünfziger Jahren entstandenen großformatigen, mehrfarbigen Linolschnitten und den Wachskreide-Arbeiten der letzten, oberösterreichischen Zeit. Es sind Bilddichtungen, die mit ihren archaisch-antiken Versatzstücken mythische Welten heraufbeschwören. Rössing verstand seine Arbeiten als Palimpseste, als von deri Zeiten übereinandergeschriebene Spuren der Vergangenheit.

Der Linolschnitt kommt dieser Vorstellung entgegen, weil durch den nicht „überdeutlichen” Gegenstand „ein Nebeneinander erkennbar” bleibt und Rössing mit dem Handdruck malerische Farbschattierungen erzielte. In den Kreide-Zeichnungen bediente er sich der von Max Ernst erprobten „Frottage”. Überhaupt unterstreichen Rössings reiche Kunst-Zitate sein „weites Herkommen”.

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