Lebensgier und Kältetod

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Horváths "Don Juan kommt aus dem Krieg" am Wiener Volkstheater.

Ich sehe Sie an und es ist Liebe, ich sehe weg und es ist wieder Liebe", sagt Thomas Bernhard in einem Interview zu Krista Fleischmann. Bei Horváths "Don Juan kommt aus dem Krieg" ist es genau umgekehrt: Er sucht überall die Liebe und findet sie nirgendwo, und weil er sie nicht finden kann, stirbt er am Ende an der eigenen Kälte.

Die Hausherrin des Volkstheaters Emmy Werner hat diesmal selbst die Regie übernommen, ihr Protagonist wird von Helmut Berger gespielt, ein kraftloser Don Juan, der sich selbst das Herz gebrochen hat und es bei jeder sich anbietenden Gelegenheit mit großer Geste zusammenzuhalten sucht.

Vor dem Krieg hat er seine Erfüllung in zahlreichen Liebesabenteuern gesucht, doch nun - scheinbar geläutert - wird ihm seine Braut zum Ideal, die Suche nach ihr zum Lebensziel, das ihn blind macht für die ihm real begegnenden Frauen mit ihrer Zuneigung .

In dieser entwurzelten, orientierunglosen Gesellschaft der Zwischenkriegszeit wird Don Juan zur Projektionsfläche für das heftige Bedürfnis nach einer Art "Erlöserfigur" und zum Spiegel für die Horváthschen Frauenfiguren mit ihren Sehnsüchten und Ängsten. Doch Helmut Berger führt seinen Don Juan nicht, er lässt sich substanzlos treiben und findet keinen echten Ton.

Im auf Rahmen reduzierten Mobiliar mit verspielten Linien, die auch den Hintergrund bilden, bewegen sich die Schauspieler wie Abziehbilder, im Spiel mit Licht und Schatten wie scharf konturierte Scherenschnitte, die jedoch an der Oberfläche kleben bleiben. Elsa Prochazka hat die Bühne gestaltet, die sich in Ästhetizismen verliert, sich an äußerlichen, zum Teil unverständlichen Formalismen von Szene zu Szene entlanghantelt. Es sind Fragmente, die Assoziationen eröffnen könnten, aber sie bleiben inhaltsleer, weil keine Beziehungen erzählt werden, weil sich keine Spannung zwischen den Bildern entwickelt.

Der automatisierte Sprechgestus des Ensembles verstärkt die Monotonie der Produktion, die vielleicht von der Lebensgier der allein gelassenen Frauen erzählen wollte, deren Stärke zur Garantie für die Zukunft wird. Aber Werner hat sich leider in Standbildern verloren und lässt den elf Schauspielerinnen (Erni Mangold, Babett Arens, Doris Weiner, Susanne Holl u. a.), die fast alle in mehreren Rollen zu sehen sind, buchstäblich keinen Spielraum.

So wird mal hier ein wenig Sozialkritik geübt und dort der Krieg als Metapher eingesetzt - bis hin zum allzu plakativen Ende, wenn Don Juan am verschneiten Grab der Geliebten den Erfrierungstod stirbt, während die Hintergrundlinien zunehmend erblassen, bis das grelle (Schnee)Weiß das Publikum blendet, dessen Buhrufe eine vertane Chance bedauern.

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