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Don Juan heute?

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E. T. A. Hoffmann erklärt von Don Juan, er sei von der Natur mit allem ausgestattet, was den Menschen in nähere Verwandtschaft mit dem Göttlichen erhebt. Er stehe im Konflikt der göttlichen und dämonischen Kräfte, da sei ihm „jeder Genuß des Weibes“ letztlich „nicht mehr Befriedigung seiner Sinnlichkeit, sondern frevelnder Hohn gegen Natur und Schöpfer“. Gibt es diesen Typ heute? ödön von Horvath versucht ihn in seinem Schauspiel „Don Juan kommt aus dem Krieg“ darzustellen, das derzeit im Kleinen Theater im Konzerthaus gespielt wird. Ist dies aber tatsächlich der große Verführer?

Es sei dabei bedacht, daß zu Don Juan auch der religiös bedingte Widerstand der Frau gehört, der durch ihn gebrochen wird. Zu ihm gehören die Schauer der Sünde, die düster glosenden Lüste. Horvath erklärt, Don Juan sei nur scheinbar während der großen Inflation 1919 bis 1923 gestorben, er bilde sich nur ein, ein anderer Mensch geworden zu sein, er bleibe was er ist, er entrinne den Damen nicht. Gewiß entkommt auch sein Don Juan ihnen nicht. Aber nichts gibt es da von jenen gewaltigen Kräften, die das Urbild dieser Gestalt einsetzt und die gebrochen werden. Die seit dem ersten Weltkrieg gewandelten Sexauffassungen sind die Ursache, die Widerstände wurden gering, Sprechen wir erst gar nicht von Llber- tinage.

Don Juan glaubt — E. T. A. Hoffmann sei nochmals zitiert — „daß durch die Liebe, durch den Genuß des Weibes schon auf Erden das erfüllt werden könne, was bloß als himmlische Verheißung in unserer Brust wohnt“. Deshalb flieht er rastlos vom „schönen Weibe zum schönem“. Aber dem autonom sich dünkenden Menschen von heute fehlt die metaphysische Dimension und vollends der „frevelnde Hohn gegen Natur und Schöpfer“. Horvath behauptet zwar, es sei die metaphysische Bindung dieser Sexualität, der sich die Frauen nicht entziehen können, aber er tat recht daran, dies nicht darzustellen, weil es der heutigen Realität nicht mehr entspricht. Der aus dem ersten Weltkrieg heimkehrende Don Juan findet deshalb bei keiner Frau Genüge, weil er in jeder eine Entschwundene sieht. Ihr gegenüber wurde er schuldig, sie aber ist längst tot. Das Metaphysische wird durch Psychologisches ersetzt. Dieser Don Juan braucht die Weiber gar nicht zu verführen, so sehr drängen sie sich um ihn. Es läßt sich keineswegs erkennen weshalb. Er gleicht nicht einmal Casanova, er bleibt passiv, wird nur aktiv, wenn er sich von ihnen löst, wir erfahren es nachher. Damit gelingt es Horväth tatsächlich die heutige Reduktionsform des Don Juan darzustellen, der gar kein Don Juan mehr ist.

Diese 24 sehr kurzen, feuilletoni- schen Szenen mit den in wenigen Sätzen lebendig erstehenden Gestalten werden unter der Regie von Georg Lhotzky im leeren Bühnenraum ohne auch nur andeutende De korationen aufgeführt. Dietmar Schönherr, der den Don Juan spielt, und die zwölf Darstellerinnen der 35 weiblichen Rollen bleiben ständig auf der Bühne. Das Wechseln der Kleider, das Umstellen der Tische und Stühle zwischen den vielen Szenen nimmt einen Großteil der Spieldauer in Anspruch. Schönherr zeichnet den Don Juan mit diskreten Mitteln, zu Recht ohne Einsatz erotischen Charmes. Alle weiblichen Gestalten werden gut charakterisiert.

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