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Brecht präsentiert Moliere

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Im Salzburger Landestheater ging als erste Premiere des heurigen Jahres Molieres „Don Juan“ in der Bearbeitung von Bertolt Brecht über die Szene. Don Juan gehört zu den großen dichterischen Symbolen für das Wesen des Menschen, aber der mythische Kern hat sich bei dieser doppelten Behandlung des Stoffes verflüchtigt. Moliere macht sich über Don Juan lustig; er sieht in ihm nicht den unwiderstehlichen Verführer, das Sinnbild für die Dämonie des Triebes und damit den auf das weibliche Schicksal gerichteten Basiliskenblick des Verhängnisses, sondern einen recht belanglosen Typus, der am Hofe des Sonnenkönigs gewiß keinen Seltenheitswert hatte. Dieser Don Juan ist ein Playboy des Barock, Verführer aus Eitelkeit, Genießer ohne Leidenschaft, ein affiger Geck und Nichtstuer, einfach ein mißratenes Herrensöhnchen auf der schiefen Bahn. — Vielleicht war Molieres Don Juan überhaupt nur auf eine bestimmte Person gemünzt.

Bert Brechts Mißverständnis war es, aus dieser Darstellung des Don Juan als parasitärer Existenz irgendeine soziale Problematik abzuleiten. Indem er die Akzente entsprechend setzt, gelangt er zu einem Don-Juan-Bild, das etwa einer Zeugenaussage aus dritter Hand gleicht. Aber als dramaturgische Leistung ist Brechts Bearbeitung geradezu ein Paradigma. Er kürzt, strafft, stellt um, streicht Überflüssiges, dialogisiert langatmige Tiraden, macht aus fünf Akten vier — und trotzdem haben wir immer das Gefühl, bei Moliere zu sein. Die Sprachgestalt der Brechtschen Version ist körniger, handfester als die elegante Prosa des französischen Dichters. Die saftige Redeweise des niederen Volkes weist eher auf Shakespeare als auf Moliere.

Für das personenreiche Stück mußte fast das ganze Ensemble aufgeboten werden, woraus sich ergibt, daß nicht jede Rolle ideal besetzt werden konnte. Das begann schon mit dem Titelhelden. Heinz Fuges erfüllte seine Aufgabe, wo er Witz, Charme und substanzlose Leichtigkeit spielen lassen konnte; der Vorstellung Bert Brechts von einer „sexuellen Großmacht“ vermochte er nicht zu entsprechen. Die Dienerrolle des Sganarelle stellt In ihrer widersprüchlichen Anlage jeden Interpreten vor schwer lösbare Probleme. Daß es Gerhard Mörtl gelang, diese Fülle gegensätzlicher Eigenschaften zusammenzufassen und glaubhaft zu verkörpern, stellt seiner schauspielerischen Intelligenz und seiner Vielseitigkeit ein glänzendes Zeugnis aus. Inga Bünsch war als Donna Elvira ein Bild leidvoll vergeistigter Schönheit und von jener fraulichen Würde, die noch in der Erniedrigung Ehrfurcht gebietet. Mit erfrischender Natürlichkeit agierte Albert Tisal als Pieter; er war echt in der Empfindung und berührte durch jene unbeholfene Komik, die sich aus dem Herzen entfaltet. Allen anderen, die hier nicht genannt werden können, sei bescheinigt, daß sie sich um das Gelingen des Abends verdient gemacht haben, den Horst Siede sorgfältig inszenierte. Der Bühnenbildner Wolf-Reinhard Wust erfüllte mit seiner Kupferstichszenerie in vollkommener Weise die Forderung Brechts, wie sie in dessen Notizen festgehalten ist: Als Szenerie vorzüglich die originale Bühne Molieres mit ihrer magnifizenten Perspektive, Salönlüstern, sparsamen Andeutungen: Die Welt als dekorative Fischgründe der großen Herren. Diese großen Herren waren von Marianne Frehner prunkvoll kostümiert worden, die kleinen Leute hätte man lustiger anziehen können. Der zauberhafte musikalische Hintergrund stammte von Jean Baptiste Lully. Ein Jammer nur, daß es seit der Erfindung des Tonbandes keine lebende Bühnenmusik mehr gibt.

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