6838730-1975_30_11.jpg
Digital In Arbeit

Sommertheater-Träumereien

Werbung
Werbung
Werbung

Im Zeichen eines „Jahres der französischen Komödie“ hat Intendant Herbert Wochinz seine Spittaler Komödienspiele des „Ensembles Porcia“ in die 15. Spielzeit geführt und ihnen vor Marivaux und Beaumarchais ein Stück von Moliere mitgegeben, das dieser 1669 auf königlichen Befehl in Eile zu Papier brachte und „Monsieur de Pour-ceaugnac“ nannte. H. C. Artmann hat es in der ihm eigenen Diktion übertragen, ihm einige Reimpaare zum Abschluß beigefügt und nun als „Der Freier“ auferstehen lassen, wobei gleich gesagt sei, daß es sich um ein Nebenprodukt des Dichters handelt, das er ohne Rücksicht auf literarische Verluste und im Groll gegen ärztliche Scharlatanerie gleichsam als routiniertes Rollenstück in die Scheinwelt des Theaters setzte. Vorgeprägte Figuren beleben es, eine dünne Handlung nimmt sie auf und man begleitet den Herrn aus der Provinz, der auf Freiersfüßen wandelt, nach Paris, wo er Julie, Herrn Orontes kesses Töchterlein, zu ehelichen gedenkt. Weil aber bereits Eraste über ihr Herz verfügt, wird der arglose und geistig etwas unterentwickelte Fremde mit allen Mitteln skrupelloser Intrige bekämpft: ein Ärztepaar sucht ihn in Behandlung zu nehmen und winkt mit der Klistierspritze, Verleumdung bringt ihn mit Schulden und Krankheit in Verbindung und gedungene Weibsbilder geben sich als verlassene Mütter aus. Wegen „Bigamie“ aber droht der Galgen. Da wendet sich der Freier zur Flucht, die Liebenden aber finden sich. (Hofmannsthal verwendete und erweiterte Molieres Einfall für den „Ochs von Lerchen-au£ im „Rosenkavalier“.) Recht munter ist's gemacht, bewährte Hilfsmittel bis zur Kostümierung des Pourceaugnac mit Weibsplunder werden eingesetzt, kein Wunder also, daß ein hochlöbliches Publikum mit illustren Gästen an der Premiere gefallen fand, in Sonderheit an dem massiven, von maßvoller Komik getragenen Titelhelden Peter Ptfcls, an den verlogenen Weibsstücken Nerine und Lucette der Marianne Kopatz und Traude Gmeinböck, am nachtschwarzen beweglichen Intriganten Horst Eder und namentlich an der quacksalberischen Beredsamkeit, mit der Hans Eybl einen der beiden Ärzte ausstattet. Sie alle und die Ungenannten mit ihnen folgen den Intentionen routinierter und alle Zügel schießen lassender Regie, wie sie seit Jahren Herbert Wochinz eignet.

Der Umstand, daß es für Professor' Hannes Sandler nicht mehr zumutbar war, die eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen und den Beruf dazu, nur um auf dem Petersberg die Burghofspiele zu gestalten, hatte die Fanfaren hoch oben verstummen lassen; „die Helden waren müde geworden“ und scheuten zugleich die Verantwortung, das Werk weiter zu führen. Das ergab zwei Jahre Pause für jedes künstlerische Unterfangen in Friesach und damit ein Nachsinnen, was nun unternommen werden könnte, bis man die Lösung darin fand, im Hof des Dominikanerkonvents ein Theater einzurichten und es vom Reinhardt-Seminar „bespielen“

zu lassen; das schien den Versuch wert, und daß er vorerst gelang, sei hier gerne festgehalten. Und weil die Natur mit Baum und Busch und Rasenteppich den idealen Schauplatz für Shakespeares „Sommernachts-traum“ gestellt hatte, nur durch kleine Hinzufügungen durch Wolfgang Müller-Karbach, zum „Bühnenbild“ umzuwandeln, überließ man Spiel und Regie Edwin Zbonek und einer ambitionierten und zum Teil sehr begabten Schar junger Seminaristen, die es verstanden, ihre unverbrauchten Kräfte artistisch-gymnastisch ins Treffen zu führen und den Weisungen, es recht toll und munter zu treiben, nachzukommen. So wurde alles in Bewegung aufgelöst, mit Kraxeln und Purzelbäumen und einer tollen Jagd unter Bäumen und zwischen Büschen. Ein Oben im Geäst und ein Unten auf dem Rasen, wobei das Schöne daran war, daß das Wort des Dichters nur unwesentlich litt, vielmehr sprachlich gekonnt über „die Bühne“ kam. Daß mehr Gewicht auf die Drastik des Rüppel-spiels gelegt wurde, erscheint natürlich; mit überbordender Komik läßt sich ein Publikum eher beeindruk-ken als durch noch so schöne Verse.

Die phantasievollen Kostüme hatte Birgit Hutter entworfen, wobei den Elfen das Groteske angeschminkt worden war, zur Musik Mendelsohns etwas im Widerspruch. Das Publikum ging dankbar mit und ließ sich überzeugen, daß die „Sommerspiele“ zwar kein Ersatz für den Petersberg sind, aber doch etwas, dem man Erfolg wünschen darf.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung