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Grobmaul und Hahnrei

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Das Wetter gnädig, das Publikum wohlgeneigt, die Aufführung überdurchschnittlich — so könnte man in Kurzfassung die unter der Regie von Herbert Wochinz zustande gekommene Inszenierung von Molieres selten gespielter Komödie „George Dandin“ in Kürze rezensieren, doch verdient die Eröffnung der 14. Komödienspiele des „Ensembles Porcia“ ausführlicheren Bericht.

Ausgestattet von Matthias Kral], der sich's mit dem „Bühnenbild“ leicht machte und den Kostümen einen geschmackvollen ,3raun-stioh“ verlieh, kam eine Eröffnungsvorstellung zustande, die des Herrn Jean Baptiste Poquelin wohl auch ein wenig autobiographisch unter-spicktes Spiel um den bäuerlichrobusten Dandin erfolgreich gelingen ließ. Gegen seine sonstige Art jagte diesmal Wochinz sein Ensemble nicht über die Bretter, sondern gab ihnen nach graziös-affektiertem Begrüßungsauftritt Gelegenheit, sich darstellerisch und sprachlich zu bewähren, ohne allerdings einen gewissen Komödienstil durchzuhalten, denn in der Szene nächtlicher Dunkelheit gab es in Zusammenstößen mit Au und Weh manches, das dem Klamauk bedenklich nahe kam, dann allerdings im Abenteuer des zunächst triumphierenden, zuletzt ausgesperrten Dandin den Höhepunkt des Abends brachte. Jedenfalls ließ man sich das grausame Treiben, mit dem einer, der sich in seiner Unbeholfenheit gegen adelige Taktik und Tücke nicht zu wehren vermag, zur Verzweiflung gebracht wird, amüsiert gefallen im Geiste eines „Nicht der Betrüger, der Betrogene ist schuldig“, denn schließlich: „Du hast es gewollt, George Dandin“, als du aus solidem Stande in die frivole höhere Welt hineinheiratetest.

Dieser bedauernswerte Hahnrei, der aus Verzweiflung sein Elend zu bewundern anfängt, war bei Peter Pikl in die richtige leibliche Hülle eingeschlüpft, der es verstand, Zorn und zähneknirschende Verzweiflung geschickt zu mixen und zu kredenzen. Seine Ehebestie Angelique fand bei Ulli Fessl attraktive Gestaltung. Ihr intrigant beizustehen, verstand sich recht reizvoll Marina Wan-druszka als Zofe Claudine. Das adelsstolze, etwas überzeichnete Elternpaar war Marianne Kopatz und K. J. Schwarz anvertraut. Den mehr als Wurzn einzustufenden Liebhaber Clitandre trug Peter Vray elegant durchs Stück. Mit Ernst Prassel und Albert Tisal waren schließlich die geistig etwas stiefmütterlich bedachten Diener einbezogen, die sich um Komik erfolgreich bemühten. Das Publikum, dem kulturelle und politische Prominenz reichlich beigegeben war, klatschte die diesjährigen Komödienspiele mit Eifer ein.

Wo die römischen Besatzungstruppen sich einstmals bei blutigen Tierhetzen und brutalen Gladiatorenkämpfen von ihrem Dienst erholten, im steinernen Rund des Amphitheaters (soweit noch vorhanden) des versunkenen Römerkastells Carnuntum, wird heute weit zahmere Unterhaltung geboten: Heuer wieder einmal der ,MHes Gloriosus“ des Römers Titus Maccius Plautus.

Die Veranstalter schienen mit Jupiter selbst im Bunde gewesen zu sein — oder war es die große Diana von Ephesus? Obwohl es knapp vor Beginn im Westen ganz gefährlich aufgezogen war, löste sich die Wolkenwand bald auf, und die Nachmittagssonne beschien Schauspieler und Publikum gleichermaßen freundlich.

Regisseur Fred Schaffer ließ das Stück in einer Übersetzung von Andreas Thierfelder spielen, und es wäre schön gewesen, hätte er bei der ,3earbeitung“ auch die zahlreichen Vulgär-Germanismen eliminiert, die sich im Munde der agierenden Griechen merkwürdig ausnahmen. Beim nächsten Mal also, bitte, Griechen und Römer weder „knutschen“ noch „schmusen“ lassen! Den großmäuligen Angeber, Kriegs- und Weiberhelden (eigener Erfindung) Pyrgopolynikes gab Helmut Nymec in grotesker Maske und Allüre, seinen Diener Palaestrio, der ihn so gewaltig hineinlegt, flink und pfiffig Gerhard Karner, das geraubte Mädchen Philokomasium Isolde Rektenwald, ihren . Bräutigam Andreas Adams. Alle gaben ihr Bestes, auch Otto Beier (Skeledrus), Johannes Kaiser (Artotrogus), Josef Pechhacker (Periplektomenus) und Inge Toifl (Milphidippa). Trotzdem zog sich, das Spiel im ersten Teil ein wenig, kam die Lustigkeit etwas gequält über die Rampe.

Der zweite Teil hatte dann wesentlich mehr Tempo und dank JVino Sandts“ attraktiver Hetäre Akrote-leutiuim auch die notwendige Farbe.

Das Publikum nahm das naive Geschehen amüsiert zur Kenntnis und verließ die von Kornfeldern und Pappelreihen umgebene Arena mit dem dankbaren Gefühl, einen angenehmen Nachmittag verbracht zu haben, so recht als Auftakt zu einem Bacchus-Opfer in einer der nahegelegenen Buschenschenken.

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