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Spiel der Schwäche

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Das. Theater der Courage bringt, als Uraufführung, ein nachgelassenes Werk von Oedön von Horvath: „Don Juan kommt zurück." — Horvath ist der Dichter der Zwischenkriegszeit, immer wieder hat diesen Österreicher das Schicksal der Jugend in dieser Zeit gefangengenommen: vaterlos in einem furchtbaren Sinne, verlustig der Väterwelt im politischen, geistigen und religiösen Raume; ohne Behütung, ohne Heimat. Wenige haben so klar und erbarmungslos wie er (und es sind fast alles Österreicher: Musil, Roth, Bruckner, Kafka) ausgesagt, worin das Wesen und Unwesen dieser Zeit ohne Gnade besteht; im Ungeborgensein des Kindes; das nun, ohne Schutz und Schirm, verletzt, versehrt, beleidigt wird (worauf Bernanos in seinen Enfants humiliės wieder verwiesen hat). Worauf dieses beleidigte „Herz" zum Tummelplatz wird, auf dem die Masken des Bösen ihren schauerlichen Karneval tanzen. Das schutzlose Kind, die ünbewehrte Jugend (die sich deshalb nach Wehr und Waffen sehnen magi) erscheint ihm als das Objekt der Verführung, Schauplatz dämonischer Spiele, als beklemmendes Symbol aller Verführungen und Versuchungen unseres Zeitalters. Man tut deshalb gut daran, will man diesen „Don Juan" nicht mißverstehen, ihn zusammenzusehen mit allen anderen Werken Horvaths; um von den hier zugänglichen zu sprechen, also mit den vom Volkstheater so bedeutsam herausgebrachten „G'schichten aus dem Wienerwald" und mit . den beiden Romanen um die „Jugend ohne Gott“ (die Hitlerjugend und einiges andere). Es dreht sich hier in unserem Stück nicht um „Don Juan" und 35 Frauen; auch diese drehen sich nicht um ihn, wie manche glauben mögen. Alle Vergleiche mit dem Don Juan der Weltgeschichte, diesem abgründigen Symbol, in dem ein Volk sich begreift, dieser Mythengestalt, die mit Orpheus und Herakles, Hamlet und Don Quijote zusammensteht, sind abwegig. Sie lenken das Denken auf falsche Gleise und zu falschen Vergleichen. Horvaths Don Juan und die 35 Frauen um ihn sind „nichts" (aber was für ein furchtbares, be-

wegendes Nichts) als ein Haufen „armer Teufel", Kinder, Jugendliche, Entgleiste, aus Heim und Herd, Vaterhaus und bergender Ordnung, hinausgeworfen auf die Straße — wie Borcherts Jungen —, auf die Straße, wo sie nun eben zugrunde gehen. Ihr Schicksal (sie haben alle denselben Ausgang und dasselbe Ende) zeichnet nun Horvath mit einer Liebe, die unverkennbar ist. Hier wirkt er nun abstoßend auf viele: denen Schwäche unverzeihbar erscheint. Auf die besondere aufreizend wirkt dię Darstellung männlicher Schwäche. Der Hilflosigkeit des Mannes (die hier von Robert Werner gut zum Ausdruck gebracht wird). Das Dilettieren einzelner Schauspielerinnen mag diesen Eindruck noch verstärken. Dennoch halten wir fest: Oedön von Horvath ist es wert, immer wieder aufgeführt zu werden.

Das Theater am Parkring brachte, eingeschoben zwischen zwei Premieren, „D i e Rechenmaschine" von Eimer Rice zur Aufführung. In sieben Bildern wird uns das leere Leben eines Buchhalters vorgeführt, dem durch die Erfindung der Rechenmaschine auch die äußere Existenzmöglichkeit entzogen wird. Ein expressionistisches Spiel, das, großartig in seinen ersten Szenen, seinen dramatischen Höhepunkt mit dem dritten Bild erreicht. Das vierte Bild lebt noch durch schauspielerische Ausdruckskraft; die übrigen sind tot. Es ge- . lingt Eimer Rice in der Folge nicht, seine pessimistischen und pseudo-philosophischen Ideen lebendig und glaubhaft zu machen; statt dessen Verliert et sich in einer Reihe kaba- rettartiger Einfälle, die nicht einmal lustig sind und nur deplaciert wirken. Nahezu die gleiche Aufführung war vor Jahren bereits im Studio der Hochschulen zu sehen. Damals nahm man das Improvisierte und Provisorische in Kauf; heute erscheint es bereits fehl am Platze. Denn vom Niveau einer Kellerbühne erwartet man, daß sie über dem eines Studios im zweiten Stock liegt — vor allem von dem des Theaters am Parkring.

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