Lügen, Whisky, Morphium

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Bei den Salzburger Festspielen steht Eugene O'Neills Familientragödie auf der Bühne.

Der Tag geht, das trostlose Ende kommt. Davor wühlt Familie Tyrone in den Abgründen der Vergangenheit und den Katastrophen der Gegenwart. Die Salzburger Festspiele präsentieren in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsschauspiel München Eugene O'Neills Drama "Eines langen Tages Reise in die Nacht". Elmar Goerdens Inszenierung im Salzburger Landestheater nimmt Titel und Stück sehr ernst. In manchmal endlos scheinenden dreieinhalb Stunden - ein paar Kürzungen hätte der Text schon vertragen - holt er des Autors eigene Familientragödie ans Licht.

Der Amerikaner Eugene O'Neill (1888-1953), 1936 Nobelpreisträger für Literatur, bezeichnet im Stück Autoren wie seinesgleichen selbstironisch als "Dichter der morbiden Art". In "Eines langen Tages Reise in die Nacht" reiht er schonungslos die Lebenslügen, gegenseitigen Beschuldigungen und weinerlichen Selbstvorwürfe der Mitglieder der Familie Tyrone aneinander. "Es handelt von altem Leid, geschrieben mit Tränen und Blut", vermerkte O'Neill dazu. Beim Verfassen des Stückes beseelte ihn der Wunsch, "endlich mit seinen Toden zu verkehren", so stark ist es an seine eigene Biografie angelehnt. Er gab das 1941 fertig gestellte Werk zu Lebzeiten nie zur Aufführung frei, es fand sich aber - obwohl er in einem Anfall von Verzweiflung zahlreiche seiner Manuskripte verbrannte - in seinem Nachlass und kam 1956 zur Uraufführung.

Durch die Einheit der Handlung (Zerbrechen einer Familie), der Zeit (ursprünglich ein Tag im August 1912, in Salzburg deutlich näher an unserer Gegenwart) und des Ortes (ein Ferienhaus an der nebligen Küste) knüpft O'Neill - auch der "amerikanische Aischylos" genannt - an die antike Tragödie an. Der ergraute Broadwaymime, Alkoholiker und Geizhals James, seine nach einer Entziehungskur wieder dem Morphium verfallende Frau Mary und die beiden lebensuntüchtigen Söhne - der als Schauspieler, gescheiterte Säufer und Schürzenjäger James und der schwindsüchtige Edmund, in dem sich der Autor selbst zeichnete - ergehen sich in gegenseitigen Vorwürfen und Selbsttäuschungen. Keiner will schuld am eigenen tristen Schicksal sein. Der Whisky fließt in Strömen, er kann zwar die Probleme nicht wegspülen, lockert aber die Zungen. Kurze Augenblicke der Wahrheit tun weh, also spielt man einander meist etwas vor.

Und Theaterspielen können sie alle, die da in Elmar Goerdens Inszenierung am Rande einer großen Wasserlache - scheint bei Regisseuren derzeit groß in Mode zu sein - agieren. Eine kleine US-Flagge weist auf das in diesem Stück vorgeführte Platzen des amerikanischen Traums hin. Der kurzfristig eingesprungene Vadim Glowna (James) wirkt am wenigsten wie ein Schauspieler, obwohl er einen darstellt. Dagegen beherrscht Cornelia Froboess (Mary Cavan) alle Theatertöne, um bravourös eine glaubwürdige Suchtkranke zu spielen. Rainer Bock (Jamie) verkörpert am deutlichsten die Hassliebe, die alle Beteiligten füreinander empfinden. Die junge Franziska Rieck (Cathleen) steuert ein naives Hausmädchen bei. Als Glanzpunkt der überlangen Reise in die Nacht erweist sich Jens Harzer (Edmund), ob er nun Baudelaire zitiert, ständig eine Zigarette zwischen den Fingern hat oder in sein grünes T-Shirt hustet.

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