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Zwischen Tragödie und Komödie

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Eugene O'N e i 11 ist Wien zuletzt durch die großartige Aufführung seines Dramas „Eine langen Tages Reise in die Nacht“ im Akademietheater in bester Erinnerung. Nun bringt das Volkstheater, in der Regie Leon Epps, sein „Seltsames Zwilchenspiel“. Woran liegt es, daß diese Aufführung nicht die geschlossene Wucht eines großen Seelendramas aufweist, sondern bisweilen seltsam zwischen Tragödie und Komödie schlittert? — O'Neill wagt es, außerordentlich heikle Themen auf der Bühne zu behandeln. Neben den Brüchigkeiten in seinen Personen wirken die Ehebrüche, etwa des französischen Dramas, wie Kindereien und Banalitäten. Sollen O'Neills Themen und Rollen nicht unglaubwürdig, grotesk, ja lächerlich und abstrus wirken, dann müssen sie eingebettet sein in einer Aufführung, die als ein mächtiger Strom, breit und Schwer rauschend, auf seinem Hochwasser die Reden und in seinen Tiefen eben dieses Strandgut der Menschheit den Ufern der Ewigkeit zuführt: Malstrom des Gerichts, Vernichtung und Lösung; Auflösung, Entwirrung, Hinübergang. Nur als eine Symphonie kommen diese Dramen O'Neills zu voller Wirkung. Diese fehlt in der vorgestellten Aufführung. Trotz einiger großer Momente, so vor allem in der Begegnung der Mutter des „Helden“ (Dorothea Neff) mit der Heldin (Eva Zilchner als Nina) und in einigen Szenen, in denen ihr seltsamer Freund, der Arzt und Geliebte (Heinrich Trimbur) im Mittelpunkt steht. Trimbur trifft am sichersten den dunklen, verhaltenen, schwebenden Ton dieses „Zwischenspiels“. Seine beiden männlichen Partner, Ninas erster und dritter Mann (Edd Stavjanik und Egon Jordan), sind zu „leicht“: zusehr Komödie, zuwenig belastet und belastend; zwei Männchen, nicht zwei schwer, mit Erbkrankheit, Mutterkomplex und anderen Schwierigkeiten belastete Männer. Diesmal muß das Publikum entschuldigt werden: es ist nicht seine Schuld, daß es gerade dann lacht, wenn es nichts zu lachen gibt, wenn beklemmendes Schweigen herrschen sollte. Dieses Schweigen wird nicht geboten. Verhaltene Erregung, beklemmendes Schweigen, tiefes Betroffensein: dieses Klima müßte eine in allem gelungene Aufführung erzeugen.

Der Stoff ist grotesk, verletzend bald, bald langweilig, herausfordernd einst, vor dreißig Jahren, und wirkt heute oft mehr unangenehm. O'Neill verwendet ihn aber nur als Anlaß, als ein technisches Mittel, als Anstoß, um zu zeigen, aus welchem Stoff der Mensch gewoben ist, und welche Mächte da mitweben, um dieses Gewebe aus schier unendlicher Schwäche und geheimer Kraft und Größe zu erzeugen. Gott ist für ihn eine Mutter-Macht, dunkler Schoß dunkelster Möglichkeiten und seltener Lichtungen; als Gott-Mutter spricht ihn Nina an (da die Mutter Gottes diesen Puritanern nicht vorstellbar ist). Diese Mutter-Gottheit O'Neills ist Garcia Lorcas Mutter-Tod verwandt. Schwebende Gestalten, wie bei Lorca, sind O'Neills „Rollen“: im letzten nur Erscheinungen, die deren Schoß aufleuchten und untergehen läßt. Dieses Erscheinungshafte versucht das Bühnenbild (Manker) anzudeuten. Da aber die Gestalten sich viel zu eindeutig, viel zu realistisch komödiantisch auf den Brettern bewegen, vermag eben dieses sehr gelungene Bühnenbild nicht seine Strahlkraft zu entfalten.

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