Revolutionär des Kirchenbaus und Pionier der Partizipation

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Mit der Kapelle in einem Wiener Studentenhaus wurde er bekannt, seine Kirchenbauten setzte das Konzil um. | Planen und Bauen sah er stets als Kommunikationsprozess. Zum Tod von Ottokar Uhl († 3. November 2011).

Der Ungarnaufstand von 1956 war noch ganz frisch im kollektiven Gedächtnis. Keine Zeit für einen Prunkbau: Als Ottokar Uhl die Kapelle der Katholischen Hochschulgemeinde Wien in der Ebendorferstraße 8 gestaltete, verließ er sich ganz auf die Kargheit der Moderne - ein Asphaltboden, Säulen aus Schalbeton und Stahlbetonziegel als Decke. Der Korpus eines steirischen Wegkreuzes mit Stahlschienen an der Wand angebracht, eine Kopie der Mariazeller Madonna - ohne Prunkmantel. Ein Holztisch als Altar, einfache Lederhocker …

Was Ottokar Uhl anno 1958 da entwickelt hatte, wurde stilbildend für den Kirchenbau im deutschsprachigen Raum - und hatte liturgie-architektonisch schon einiges vorweggenommen, was fünf Jahre später durchs Zweite Vatikanische Konzil Wirklichkeit werden sollte. Insgesamt 37 Kirchen und Kapellen wurden es, die der 1931 geborene Kärntner entworfen hatte.

Nach der Absolvierung der Ingenieurschule in Mödling studierte Uhl bei Lois Welzenbacher an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Für seine demontable Kirche in der Wiener Siemensstraße erhielt er 1963 den Österreichischen Staatspreis für Architektur. Einer seiner bekanntesten Kirchenbauten ist das 1980-1989 entstandene Gemeindezentrum St. Judas Thaddäus im badischen Karlsruhe, wo er 1973-1994 als Architekturprofessor an der Universität wirkte. Der fensterlose Ziegelbau erhält sein Licht durch Oberlichten und dadurch seinen eigenen Reiz.

Ein individualisierter Ausbau

Ab den 1970er Jahren widmete sich Uhl verstärkt dem partizipatorischen Wohnbau. Durch eine eigene Konstruktionsmethode kann auf die errichtete tragende Struktur eines Gebäudes ein bis in die Fassadenteile individualisierter Ausbau ermöglicht werden. Ottokar Uhl zählt in Österreich zu den Pionieren dieser anspruchsvollen Bau- und Planmethode, die wahrscheinlich wie keine andere auf die individuellen Bedürfnisse der künftigen Bewohner eingeht, von diesen aber auch ein außerordentliches Engagement verlangt.

Das Projekt "Wohnen mit Kindern“ etwa, das Uhl mit einer Gruppe junger Familien aus dem Umkreis der Katholischen Hochschulgemeinde in Wien-Jedlesee entwickelte, zog sich vom Planungsbeginn bis zum Bezug drei Jahre (1981-84) hin. 123 Gruppensitzungen, so erzählen die damaligen "Bauherren“, 20 Baustellenbesprechungen und 131 Einzelberatungen waren notwendig, bis die zwei Wohnhäuser fertig waren … In Ottakring entwarf Uhl in ähnlicher Weise das B.R.O.T.-Haus einer bis heute bestehenden Gemeinschaft christlicher Familien (Beten, Reden, Offen sein, Teilen = B.R.O.T.). 2010 wurde von seinem Schüler Franz Kuzmich ein Nachfolgeprojekt in Wien Kalksburg realisiert.

1997 hatte Ottokar Uhl einen Schlaganfall erlitten und war seither nur eingeschränkt arbeitsfähig. 2001 hatte das Architekturzentrum Wien Uhls Archiv übernommen, 2005 wurde er dort mit einer großen Ausstellung gewürdigt. Zuletzt feierte ihn das Architekturzentrum Ende März 2011 anlässlich seines 80. Geburtstags.

Am 3. November ist Ottokar Uhl in Wien gestorben. Mit ihm hat die österreichische Nachkriegsarchitektur einen der leisen Großen und einen der großen Intellektuellen verloren.

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