Schicksale der McCarthy-Ära

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Philip Roth beschreibt, wie Fanatismus und Scheinheiligkeit einen Menschen zerreißen.

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Philip Roth beschreibt, wie Fanatismus und Scheinheiligkeit einen Menschen zerreißen.

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Ira Ringold war Außenseiter als jüdisches Kind im Italienerviertel, als Kommunist in der US-Armee und als proletarischer Radiostar in der New Yorker High Society. Der amerikanische Star-Autor Philip Roth durchleuchtet in seinem neuen Roman die Gründe für die Unfähigkeit, sich in eine Gesellschaft einzugliedern. "Mein Mann, der Kommunist" ist das Porträt eines Mannes, der sich seiner Vergangenheit nicht stellen kann und daher vor ihr fliehen muss.

Murray erzählt an sechs langen Sommerabenden seinem ehemaligen Schüler Nathan die Geschichte seines Bruders. Mit Nathans Erinnerungen, der als Junge mit dem Radiostar Iron Rinn, alias Ira Ringold, bekannt war, ergibt sich nicht nur das Bild eines außergewöhnlichen Menschen, sondern auch der amerikanischen Gesellschaft zur Zeit des Kalten Krieges. Als junger Mann erschlug Ira im Zorn einen Mann. Seither ist er auf der Flucht vor seinem unkontrollierbaren Temperament. Als Soldat im Iran stationiert, erlebt er menschliches Elend, wie er es selbst in den ärmlichen Verhältnissen seiner Heimatstadt nicht kennengelernt hat. Unter dem Einfluss der starken Persönlichkeit seines Freundes Jonny wird er zum überzeugten Kommunisten. Fortan blind für jede andere Gesinnung, arbeitet er, wo immer er ist, leidenschaftlich für die Partei. Jede Ungerechtigkeit entfacht sofort unbeherrschbaren Zorn und Wutanfall. Die Ehe mit der beliebten unpolitischen Schauspielerin Eve Frame muss zum privaten wie beruflichen Desaster werden.

Der Versuch, die Situation des Gesprächs auch sprachlich wiederzugeben, führt mehr zu einer ungewohnten als zu einer umgangssprachlichen Satzstellung. Hinter einem unfreiwillig komisch wirkenden Satz wie "Der mächtige Krieger legt sein Samuraischwert vor einem Ladenschwengel aus Baltimore nieder" vermuten wir eher eine Kreation des Übersetzers als eine solche des Autors.

Mit Humor und scharfer Sicht nimmt sich der Autor der Schwächen seiner Protagonisten an. Das Psychogramm Iras wird durch die Erzählungen der beiden Männer wie ein Mosaik Stück für Stück zusammengesetzt. Mit jedem Kapitel wird es vollständiger und dabei verwirrender. Philip Roth ist ein Routinier, wenn es um menschliche Schwächen geht. Liebe, Hass und Leidenschaft sind die Motoren seines Romans. Die Scheinheiligkeit der Gesellschaft bietet für die intensiven Gefühle der Romanfiguren den richtigen Hintergrund. Obwohl die Ereignisse mehr als 30 Jahre zurückliegen und das Ende teilweise vorweggenommen wird, bleibt die Spannung bis zuletzt bestehen. Die Schicksale fesseln den Leser. Der Autor ist kritisch, bleibt aber unaufdringlich und kommt ohne Moralpredigten aus. Die hat er nicht nötig, denn was er zeigen will, vermittlen seine Figuren.

Verrat ist letztlich der Grund für Iras Untergang. Nach der Scheidung holt Eve zu einem letzten Vergeltungsschlag aus. Sie schreibt ein Buch "Mein Mann, der Kommunist" und erzählt darin von ihrer Ehe. Nicht nur die Boulevardpresse stürzt sich auf die intimen Enthüllungen über das einstige Traumpaar. In der McCarthy-Ära wird Ira zum Inbegriff des Kommunisten und Staatsfeindes, der das amerikanische Volk unterwandert.

Mein Mann, der Kommunist. Roman von Philip Roth. Hanser Verlag, München 1999. 370 Seiten, geb., öS329.-/e 23.91

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