Sterben und Tod im Ethno-Tempel

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Eine Sonderausstellung im „Haus der Völker“ in Schwaz in Tirol präsentiert Kunstwerke aus dem Jenseitsglauben fremder Kulturen. Wie in einer Geisterbahn scheinen unsichtbare Schamanen den Besucher in die Unterwelt bizarrer Totenkulte zu geleiten.

Ein wahres Juwel unter den österreichischen Ethnologie-Museen ist das seit 15 Jahren bestehende „Haus der Völker“ in Schwaz, Tirol. Sein Begründer, Gert Chesi, hat auf seinen Reisen nach Afrika und Asien mehr als tausend hochkarätige Kunstobjekte gesammelt (und er sammelt noch heute!). Unter Chesis Intendanz wurde in den wunderbar ausgebauten Kellergewölben des Klosters St. Martin bei Schwaz der erfolgreiche Versuch unternommen, dem Schaffensreichtum fremdartiger Volksstämme ein Heim zu geben und damit wichtige Werke der Ethno-Kunst dem Untergang zu entreißen. Durch regelmäßige Sonderausstellungen im Schwazer Ethno-Tempel werden Brücken zwischen den Völkern geschlagen, um den Besuchern – genau genommen der Menschheit – ein ganzheitliches Kulturverständnis zu vermitteln.

Eine Ausstellung zum Fürchten

Wie auf einer Reise mit der Geisterbahn scheinen unsichtbare Schamanen den Gast der aktuellen Schau im „Haus der Völker“ in die Unterwelt bizarrer Totenkulte zu geleiten. Hier ist eine große Anzahl faszinierend expressiver Kultobjekte versammelt, die davon erzählen, wie exotische Kulturen mit Tod und Jenseitsglauben umgehen. Im Zentrum der Ausstellung thront unter Palastpfosten der Yoruba, der reliefgezierte Sarg eines Meisters aus der stilprägenden nigerianischen „Schule des Olowe von Ise“ – ein sehr seltenes Objekt. Es wird von fünfundzwanzig Bodyguards bewacht, die zur Sicherheit in ihren Rucksäcken Gebeine oder Reliquien von Verstorbenen mitschleppen (Nigeria). Nicht ganz so vertrauenswürdig wirkt die rituelle Schädelmaske eines Ibo (Nigeria), auf dem sich eine Hartholz-Schildkröte und zwei applizierte Schlangen zum Kampfe rüsten. Absolut zum Fürchten mutet der mit einer Art von Stoßzähnen verzierte Ahnenschädel der Asmat aus West-Neuguinea an. Es ist einigermaßen beruhigend zu erfahren, dass die Schädel dieser teuren Verblichenen vielfach nur ganz praktisch als Kopfstütze zum Schlafen dienen.

Eine äußerst aggressive Rolle spielt der unter anderem mit Kaurischnecken geschmückte Totenschädel aus einem Voodoo Tempel in Zevie, Togo. Kaurischnecken symbolisieren Reichtum. Wer einen solchen Kopf besitzt, verfügt über eine mächtige Waffe. Denn durch magische Riten kann der Geist des Toten sklavisch gegen andere Menschen aktiviert werden. Würde sich dem ahnungslosen Museumsbesucher etwa ein solcher Sklavengeist bedrohlich nähern, so könnte er sich in eines der hohen Geisterhäuser aus Laos oder in eine Urne aus gebranntem Ton aus Thailand flüchten, in der die Toten sitzend bestattet wurden. Er könnte auch hinter einer der fünf Meter hohen Schlitztrommeln, den Nanaru a ting ting in Vanuatu (Insel Ambrym), einer klingenden Verkörperung von Geistern, Schutz suchen. Ob ihm die Hampatong Ngadju, die überlebensgroßen hölzernen Wächterfiguren aus den Wäldern Indonesiens, oder die weibliche Cuchimilco-Figur aus Terrakotta (Chancay-Kultur, Peru) mit ihren rudimentären Ärmchen willig beistünden, ist freilich fraglich …

Totenkulte und Jenseitsglaube

„Haus der Völker“, St. Martin, Schwaz, Tirol

bis 3. 1. 2010, täglich 10–18 Uhr

info@hausdervoelker.com

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