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Die Erklärung

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In verschiedenen Presseorganen und jetzt auch in Buchform wird eine angebliche Loyalitätserklärung publiziert, die der österreichische Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg im Sommer 1938 an Hitler gerichtet haben soll. Bundeskanzler Schuschnigg erklärte hierzu, daß er sich wohl erinnere, irgendein Schreiben abgefaßt zu haben, aber dessen Inhalt nicht mehr genau im Gedächtnis habe. Das publizierte Schreiben scheine ihm manipuliert.

Die Diskussion über die Frage, ob die sogenannte Loyalitätserklärung manipuliert sei oder nicht, geht an einer wesentlichen Tatsache vorbei. An der Tatsache, daß Dr. Kurt von Schuschnigg im Sommer 1938 nicht ein gewöhnlicher Gefangener im allgemeinen Sinn, sondern ein Gefangener des NS-Regimes war. Dieses Regime hatte es, wie alle ähnlichen, an sich, die Gefangenen zu leblosen und willenlosen Puppen zu machen, die für ihre Handlung allerdings keine Verantwortung mehr tragen können. Als Kardinal Mindszenty ahnte, daß er verhaftet werden würde, gab er die Versicherung ab, daß alle seine Erklärungen in der Gefangenschaft, und mögen sie hundertmal seine echte Unterschrift tragen, als nicht gültig anzusehen seien. Alle jene, die Dr. Kurt von Schuschnigg heute einen Vorwurf machen zu müssen glauben, mögen an diese Erklärung des ungarischen Primas denken, und davor bewahrt werden, in eine ähnliche Lage zu kommen, in der sie ebenfalls nicht anders würden handeln können.

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