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Helmut Wohnout, Historiker und Geschäftsführer des Karl-von-Vogelsang-Instituts, über Kurt Schuschnigg nach 1938.

Kurt Schuschnigg 1897-1977

Bundeskanzler

Die Furche: Was wurde aus Bundeskanzler Kurt Schuschnigg nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland 1938?

Helmut Wohnout: Die ersten Wochen nach seinem Rücktritt am 11. März stand er unter Hausarrest, ab Ende Mai 1938 befand sich Schuschnigg in Gestapo-Haft. Die Nazis überlegten zunächst einen Schauprozess, sind davon aber wieder abgekommen. Ende 1941 wurde Schuschnigg ins kz Sachsenhausen verlegt, wo er die Kriegsjahre als Promi-Häftling gemeinsam mit seiner Frau unter vergleichsweise erträglichen Bedingungen verbrachte.

Die Furche: Wie ging's nach dem Krieg weiter?

Wohnout: Zunächst brachten die Nazis Schuschnigg gemeinsam mit anderen Sonderhäftlingen nach Südtirol, wo er im Mai 1945 von den Amerikanern befreit wurde. In Italien musste Schuschnigg aber sehr bald feststellen, dass für ihn in Österreich kein Platz mehr war.

Die Furche: Wollte er wieder nach Österreich?

Wohnout: Er wollte in keine politische Funktion zurückkehren - soviel steht fest. In einem Brief, den er im Dezember 1946 aus Rapallo geschrieben hat, heißt es: "Ich bin jedenfalls von meiner Passion gründlich geheilt und habe keine persönlichen österreichischen Interessen mehr. Den Sozis nehme ich eigentlich nicht sehr viel übel, wohl aber den anderen. Nun, jedenfalls - jeder wie er kann!"

Die Furche: Wer sind die anderen?

Wohnout: Die övp hat sich von Anfang an darum bemüht, 1945 einen Neuanfang zu signalisieren. Persönlichkeiten aus der ersten Reihe des Ständestaates sind als Belastung empfunden worden. Das Zitat zeigt die Verbitterung Schuschniggs, der zur Kenntnis nehmen musste, dass seine Rückkehr zu einer Störung des innenpolitischen Gleichgewichts geführt hätte.

Die Furche: Schuschnigg ist es schließlich gelungen, an der Jesuitenuniversität in St. Louis, Missouri, als Professor für Politische Wissenschaften und Zeitgeschichte Fuß zu fassen ...

Wohnout: ... was nicht heißt, dass er sich dort nicht als Außenseiter empfunden hat. Der spätere österreichische Diplomat Herbert Grubmayr hat in den 50er Jahren in St. Louis studiert und Schuschnigg während dieser Zeit oft besucht. Grubmayr hat in einem oral-history-Projekt des Karl von VogelsangInstituts dargelegt, dass Schuschnigg "der American way of life" viel zu hemdsärmelig war und er in großer Distanz zu allem Amerikanischen blieb. Zugleich war Schuschnigg lange überzeugt, dass Europa von der kommunistischen Flut überschwemmt werde.

Die Furche: Wie ist es dann doch zu seiner Rückkehr nach Österreich gekommen?

Wohnout: 1954 hat Bundeskanzler Julius Raab bei seinem Staatsbesuch in den usa Schuschnigg besucht; zwei Jahre vorher war övp-Generalsekretär Alfred Maleta bei ihm. Es hat also in dieser Zeit ein Wiederannäherungsprozess an seine alte Heimat eingesetzt. 1957 hat Schuschnigg eine Einladung der Salzburger Hochschulwochen angenommen und wurde anschließend jährlicher Gast der Hochschulwochen und der Salzburger Festspiele. Unmittelbarer Anlass für seine Rückkehr 1967 war seine Emeritierung in St. Louis. Es wurde ihm seitens der spö zu verstehen gegeben, dass man keine Einwände mehr gegen seine Rückkehr hätte ...

Die Furche: ... wenn er sich in Österreich nicht politisch betätigt.

Wohnout: Genau. Schuschnigg hat sehr zurückgezogen in Mutters bei Innsbruck gelebt, sieht man von gelegentlichen Zeitungsartikeln ab, die fast immer um denselben Themenkomplex kreisten: eine Rechtfertigung des politischen Kurses 1933 bis 1938. Schuschnigg argumentierte, dass ohne den Ständestaat Österreich schon viel früher ein Opfer des Nationalsozialismus geworden wäre. Daneben beschäftigte ihn die Rechtfertigung des Nicht-Schießbefehls im März 1938 bis an sein Lebensende. All dies macht deutlich, wie sehr die Bewältigung dieser Traumata Schuschnigg beschäftigte. In gewissem Sinn war er in der Nachkriegszeit wohl, um Stefan Zweig zu paraphrasieren, zu einem Mann "einer Welt von gestern" geworden.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

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