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Der Kampf mit den falschen Verbündeten

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Schuschnigg wollte, wie er selbst sagt, Zeit gewinnen, in der Hoffnung, daß sich die internationale Lage ändert, daß sich vor allem England und Italien versöhnen werden. Er glich einem Mann, der um sein Leben schwimmt, immer hoffend, doch noch das rettende Ufer zu erreichen. Als er sich dann doch in einem Anflug von Todesmut der Gefahr stellte, war es zu spät. Die Kräfte, die er damals mobilisierte, hätte er spätestens 1936, als der Pfeiler Italien zu wanken begann, zur Mitarbeit aufrufen müssen. Die österreichischen Sozialdemokraten waren sogar noch im März 1938 bereit, im bereits verlorenen Kampf gegen Hitler mitzumachen. Dies aber scheint mir der entscheidende Beweis dafür zu sein, daß Schuschniggs Konzept verfehlt gewesen ist. Er kämpfte von Anfang an mit den falschen Verbündeten. Als dann innerhalb weniger Stunden das autoritäre Regime in Österreich zusammenbrach, weinten diesem im In- und im Ausland nur wenige Menschen echte Tränen nach. Das Buch von Kurt Schuschnigg zeigt auch eine Reihe von positiven Zügen des Verfassers. Man kann seinem Mut und seiner Tapferkeit die Hochachtung nicht versagen. Schuschnigg kämpfte bis zur physischen und psychischen Erschöpfung, um das hitlersche Unheil von Österreich abzuwenden. Schuschnigg ist auch Manns genug, seine Fehler, soweit er sie als solche erkennt, einzugestehen. Hoch anzurechnen Ist es ihm auch, daß er das Problem des Anschlusses sachlich behandelt und nicht in den heute üblichen Fehler verfällt, alle Anschlußfreunde zu Hochverrätern zu stempeln, was nämlich zur Folge hätte, daß bis 1933 wenigstens die Mehrzahl der Österreicher Hochverräter gewesen wären. Allerdings: „Die Überwindung der Anschlußidee“, wie der Untertitel des Buches lautet, ist das Ergebnis der Enttäuschung von 1938 und der Besinnung des Österreichers, der endlich sich bewußt wurde, daß es auch schön und ehrenvoll ist, nur Österreicher zu sein.

Schuschnigg büßte seine antinationalsozialistische Haltung nach dem Anschluß mit Untersuchungs- und KZHaft. Seine Haltung in der innerpolitischen Front zwischen 1934 und 1938 machte seine Heimkehr gleich nach Kriegsende praktisch unmöglich. Deshalb ging er In die Fremde, in die allerdings auch viele seiner Gegner während der ständestaatlichen Ära ziehen mußten. Wenn sich Schuschnigg heute in seinen alten Tagen endlich in seiner Heimat niederließ, dann wohl mit Recht, denn wie immer man über seine Politik auch urteilen mag, seine Liebe und seine Treue zu Österreich sind über jede Kritik erhaben.

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