Volksmusik voller Lachen und Weinen

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KlezMORE Festival 2009: Auch in Wien findet die jüdische Volksmusik aus Osteuropa mit ihren „krechts“, „kvechts“ und „dreylachs“ immer mehr Fans.

Als 19-Jähriger musste er aus Wien fliehen, als alter Mann kehrt der Maler mit seinen Bildern in die einstige Heimatstadt zurück. Nach der Eröffnung seiner Ausstellung „From Augarten to Los Angeles“ im Aktionsradius Wien Anfang November führte Dave Fox Interessierte durch jenes Viertel, in dem er als David Fuchs seine Kindheit verbrachte. Musikalisch begleitet wurde die sehr persönliche Spurensuche von seinen beiden Enkeln Benjy und Avi Fox-Rosen, die drei Tage später mit ihrem Fox-Rosen Quintet beim diesjährigen KlezMORE-Festival begeisterten. Der musikalische Spaziergang war gewissermaßen das Vorspiel jenes Wiener Festivals, das sich der Klezmer-Musik in all ihrer Vielfalt verschrieben hat.

Renaissance in den USA

Die Geschichte der Klezmer-Musik ähnelt ein wenig jener von Dave Fox. Die jüdische Volksmusik war in Mittel- und Osteuropa bis hinunter nach Bessarabien (heute Moldawien) verwurzelt. Der nationalsozialistische Rassenwahn löschte die jüdische Kultur in unseren Breiten weitgehend aus und kostete Millionen Menschen das Leben. Für viele, die dem Irrsinn entkamen, wurden die USA zum Zufluchtsort, wohin schon in den Jahrzehnten zuvor osteuropäische Juden emigriert waren. So überlebte die jüdische Volksmusik – aber nur in Nischen. Denn die Mehrzahl der US-Juden wandte sich bald von den traditionellen Klängen ab. Erst in den 1970er Jahren entdeckten jüdische Musiker ihr musikalisches Erbe wieder. Damals kam das Musikgenre auch zu seinem Namen; zuvor bedeutete „Klezmer“ einfach Musiker. Und weil das Revival in den USA stattfand, wird das „z“ in „Klezmer“ als „s“ gesprochen.

Lachen und Weinen, Lebensfreude und Melancholie liegen nahe beieinander in der Musik, die einst bei Hochzeiten und anderen Feierlichkeiten im Schtetl erklang. Die Lieder sind meist in Moll gehalten, zu den typischen Elementen zählen krechts (langgezogene, schluchzende Töne), kvetchs (kleine klagende Ornamente) oder dreylachs (Triller). Streichinstrumente, Klarinette und Ziehharmonika sind die am häufigsten verwendeten Instrumente, neuerdings oft auch Schlagzeug. Die jüdische Volksmusik sog stets Einflüsse aus ihrer Umgebung auf, daher verwundert es nicht, wenn heute mit Selbstverständlichkeit Elemente von Jazz oder Rock, ja sogar von Hip-Hop, Reggae oder Ska einfließen. Das weite Spektrum wurde schon am Eröffnungsabend des KlezMORE-Festivals offenbar: Zuerst spielte das vor genau zwanzig Jahren gegründete Ensemble Klesmer Wien, eine der wichtigsten österreichischen Klezmer-Gruppen. Nach dieser traditionellen Darbietung jiddischer und chassidischer Lieder betrat Matt Darriau’s Paradox Trio die Bühne des Jazzlokals Porgy & Bess und bot ein virtuoses Crossover aus Klezmer und Jazz. Im weiteren Verlauf des Festivals wurden neben Konzerten auch Vorträge, Führungen und eine musikalische Lesung geboten.

Partystimmung mit Nifty’s

Das Festival neigt sich schon seinem Ende zu, doch noch besteht die Möglichkeit, Klezmer vom Feinsten live zu hören. Kommenden Sonntag und Montag findet an zwei Abenden die Abschlussgala statt. Die preisgekrönte österreichische Formation Nifty’s mit ihrer groovigen Klezmer-Interpretation wird für Partystimmung im Porgy & Bess sorgen, während es bei Geoff Berner & Band wohl nachdenklicher und bodenständiger abgehen wird. Seinen endgültigen Abschluss findet KlezMORE heuer im Café Reigen mit der Band The Klezmatics aus New York, die nicht nur auf Jiddisch und Englisch, sondern auch aramäisch singt. Die Gruppe erhielt für ihr Album „Whonder Wheel“ einen „Grammy“, den „Oscar“ des Musikbusiness. Mit diesem Programm ziehen sie derzeit durch die Welt, der Termin bei KlezMORE in Wien passte perfekt in die Route der laufenden Europatournee.

KlezMORE 2009

noch bis 23. November

www.klezmore-vienna.at

From Augarten to Los Angeles

bis 20. Dezember

Gaußplatz 11, 1200 Wien

www.aktionsradius.at

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