"Widerstand und Keckheit gegen den Untergang"

Werbung
Werbung
Werbung

Leopold Rosenmayr wusste zu gut Bescheid, um sich Illusionen hinzugeben: Er wusste, dass "Anti-Aging" oder "Forever Young" Selbstbetrug bedeuten; und er wusste, dass die von ihm propagierten "drei L" - Laufen, Lernen, Lieben - zwar die Lebensqualität im Alter heben, der Zwang zu "aktivem Altern" aber auch manche überfordern kann. Dennoch wurde sogar er, der "Alternsforscher der Nation" und Nestor der österreichischen Sozialgerontologie, von der Wucht des Alterungsprozesses überrascht. Er habe die Beschwerlichkeit des körperlichen Daseins unter- und die geistige Leistungsfähigkeit überschätzt, erklärte er 2015 in einem Presse-Interview: "Man müsste den Mut haben, den Menschen zu sagen: Das Älterwerden ist kein Vergnügen." Er selbst hat sich dieser Zumutung freilich in unvergleichlicher Rastlosigkeit gestellt - bis zuletzt.

"Das Leben ist Widerstand und Keckheit gegen den Untergang": So formulierte er seinen Leitspruch 2010 im Gespräch mit der FURCHE, jener Zeitung, in der er nicht nur zahllose Analysen (vom Generationenverhältnis bis zum "Krieg gegen den Terror") publiziert hatte, sondern auch seine ersten Übersetzungen englischer Lyrik. Am 3. Februar 1925 in Wien geboren, kam Rosenmayr als 18-jähriger Dolmetscher zur deutschen Wehrmacht und war von 1944 bis 1945 in Griechenland und am Balkan stationiert. Seine Erinnerungen an das Grauen dieser Zeit hat er erst 2012 - angeregt von der ehemaligen FURCHE-Redakteurin Elfi Thiemer - im Buch "Im Krieg auf dem Balkan" verewigt. Nach 1945 überwog freilich der Drang, das Erlebte hinter sich zu lassen: Rosenmayr studierte Philosophie, gründete 1954 nach Aufenthalten in Frankreich und den USA die Sozialwissenschaftliche Forschungsstelle in Wien und wurde 1961 Professor für Soziologie und Sozialphilosophie an der Universität Wien. Seine empirischen Forschungen, die ihn oft auch nach Afrika führten, machten ihn berühmt. Erfahrungen aus diesen Reisen, aber auch seinen schweren Bergunfall auf der Hohen Wand hat Rosenmayr 2011 im Buch "Im Alter - noch einmal - leben" verarbeitet. 2014 formulierte er im Sammelband "Herausforderung Alter(n)" nochmals, was es für gutes Altwerden jenseits des Active-Aging-Kults bräuchte, nämlich "Güte zu sich selbst": Erst sie könne das Alter "weit und groß machen". Sein letztes Buch, "Die Weisheit ist ein unruhiger Geist", wird Mitte April bei Böhlau erscheinen. Es wird Rosenmayrs Vermächtnis werden: Am 18. März ist er 91-jährig in Wien verstorben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung