"Wie die Wildgänse fliegen"

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Petra Stolba ist seit Anfang November die neue Geschäftsführerin der Österreich Werbung. Spannende Zeiten kommen auf sie zu: Die Wintersaison wird durch den Schneemangel immer kürzer, der Sommer boomt schon lange nicht mehr, und die Gästeschicht soll internationaler werden.

Die Furche: Sie sind nun schon einige Wochen in Ihrer neuen Position. Wie gefällt Ihnen die neue Arbeit?

Petra Stolba: Sehr gut. Der Tourismus war für mich schon immer ein faszinierender Wirtschaftszweig, dem ich in unterschiedlichsten Positionen seit Jahren mein berufliches Engagement gewidmet habe. Als Geschäftsführerin der Österreich Werbung (ÖW) habe ich nun die Möglichkeit, die Marke "Urlaub in Österreich" international klar und effizient zu positionieren.

Die Furche: Auch Filme positionieren. Die erfundene Figur des kasachischen TV-Reporters "Borat Sagdiyev" des britischen Komikers Sacha Baron Cohen zieht die US-amerikanische Gesellschaft durch den Kakao und vermittelt nebenbei ein Bild von Kasachastan als zurückgebliebener Staat. Das offizielle Kasachstan war wochenlang empört. Cohen plant eine österreichische Version mit dem fiktiven Modejournalisten "Bruno". Fürchten Sie einen Imageschaden?

Stolba: Wir widmen uns mit aller Kraft der Aufgabe, Österreich als charmantestes Urlaubsland der Welt zu präsentieren, da findet spekulative Filmkritik keinen Raum.

Die Furche: "Bruno" macht Ihnen also keine Angst. Wie sieht es aber mit den schneearmen Wintern aus, denn selbst Sie können die weiße Pracht nicht herbeizaubern ...

Stolba: Wintertourismus ist mittlerweile viel mehr als Sport und Spaß im Schnee: Der heimische Tourismus hat aus der Vergangenheit gelernt und stellt sich heute mit einem differenzierten Winterangebot dar, das nicht mehr nur an Schnee gebunden ist. Nehmen Sie die Vielzahl an Angeboten in den Bereichen Gesundheit und Wellness, Kultur, Kulinarik oder auch winterliches Wandern: Aktivitäten, bei denen sich wunderbar abschalten und genießen lässt und die keinen Schnee benötigen.

Die Furche: Und wie sieht es im Sommer aus?

Stolba: Österreich kann nicht mit Sonne-und-Strand-Destinationen in den Wettbewerb treten. Wir brauchen Innovationen im betrieblichen Angebot. Im Gesundheitstourismus gibt es viele Möglichkeiten: Auf der einen Seite steht die Hardware, das ist die Ausstattung der Häuser. Auf der anderen Seite steht die Software: Die Dienstleistungsqualität, die immer wichtiger wird. Es geht nicht darum, noch größere Thermen zu bauen, sondern vielmehr darum, was wir dem Gast anbieten und wie dieser das Angebot empfindet.

Die Furche: Was halten Sie von einer Privatisierung der ÖW?

Stolba: Das ist eine strategische Frage, die die Eigentümer zu diskutieren haben. Man muss auch immer wieder über solche Dinge nachdenken, aber a priori - ohne einen Hintergrund - glaube ich nicht, dass es passieren wird.

Die Furche: Wie kann die ÖW die Landesorganisationen stärken?

Stolba: Die Landestourismusorganisationen sind alle selbstständig. Es gibt hier nichts übergeordnetes Hierarchisches. Das ist so wie bei den Wildgänsen, die im Formationsflug fliegen. Da fliegt nicht immer einer vorne, sondern sie wechseln sich ab. Aber alle in der Formation wissen, wo es hingeht. Eine klare Richtung, eine Linie, ein gegenseitiges Zuspielen. Das ist meine Vision.

Die Furche: Sie sprechen von Wildgänsen. Im Tourismus ist öfter auch von Zugpferden die Rede. Heuer ganz markant Mozart. Kann man den Bogen mit den Gedenkjahren auch überspannen?

Stolba: Ich persönlich halte die Idee, ein Jahr unter ein Motto zu stellen, für sehr gut. In meiner Ausbildung im Werbe-Bereich hat es geheißen, wenn es den Werbenden schon bei den Ohren herausraucht, dann haben es immer noch nicht alle gesehen. Ziel dieses Mozartjahres ist es, vor allem im Ausland für Österreich zu werben. Dort ist man auch nicht in dieser Dichte mit dem Thema konfrontiert.

Die Furche: Apropos Ausland: Von Ihnen wird erwartet, die ÖW im Ausland schlagfertiger zu machen und gleichzeitig Kosten einzusparen. Das klingt nach einem Husarenstück.

Stolba: Die Kunst ist, bei gegebenen Rahmenbedingungen das Bestmögliche herauszuholen. Es gilt, neue kreative Ansätze zu finden, um Synergien zu heben. Es gibt bereits eine Zusammenarbeit zwischen den Außenstellen der ÖW und den Außenstellen der Wirtschaftskammer, und zwar dort, wo die Bürostandorte im selben Gebäude liegen. Das ist nicht nur aus Kostensicht gut, sondern auch für die Österreicher, die Kontakte im Ausland haben wollen. Sie finden ein Büro, das vom Tourismus bis zur Exportwirtschaft alles abdeckt. In einem neudeutschen Wort: "One-stop-shopping".

Die Furche: Sie fordern eine stärkere Internationalisierung des Tourismus und wollen die Marke Österreich stärken. Das bedeutet?

Stolba: Wenn Sie an die Sport-Marke Nike denken, dann entsteht ein Bild im Kopf. Es passiert gerade jetzt, dass auch im Dienstleistungssektor mit Markenführung gearbeitet wird und zwar mit emotionalen Vorstellungsbildern. Die ÖW ist eine der ersten nationalen Tourismusorganisationen, die wirklich von Marketing auf Markenführung umgestellt haben. Internationalisierung heißt, unsere Herkunftsmärkte breiter zu streuen. 77 Prozent der Nächtigungen kommen aus genau drei Ländern: Österreich, Deutschland und den Niederlanden.

Die Furche: Wo liegen also die Zukunftsmärkte?

Stolba: Die sind Mittel-und Osteuropa und Indien. Sowie China als einer der Hauptmärkte. Es muss aber auch auf der betrieblichen Ebene funktionieren. Die Chinesen sind zum Beispiel sehr abergläubisch. Die Nummer Vier ist mit Tod und Unglück verbunden. Das "Vierer-Zimmer" wird dieser Gast nicht wollen.

Das Gespräch führte Thomas Meickl.

Die oberste Touristikerin des Landes

Die Wienerin Petra Stolba löste am ersten November dieses Jahres Arthur Oberascher als Geschäftsführer der Österreich Werbung (ÖW) ab. Sie ist die erste Frau auf diesem Posten und in dieser Funktion maßgeblich an der Bewerbung des Urlaubslandes Österreich im In-und Ausland (60 Länder werden bearbeitet) beteiligt. Gemessen am Anteil des Tourismus am Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat sie einen sehr verantwortungsvollen Job. 2005 machte der Tourismus am BIP 8,8 Prozent oder 21,6 Milliarden Euro aus. Im heurigen Jahr steht der ÖW ein Gesamtbudget von 52,5 Millionen Euro zur Verfügung, das sich aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (überwiegender Teil), der Wirtschaftskammer Österreich sowie aus selbst erwirtschafteten Einnahmen zusammensetzt. Stolba promovierte in Politikwissenschaften, schloss ein Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaften ab und legt bei ihrem Betriebswirtschaftsstudium gerade den Endspurt hin. Ihr berufliches Engagement, so wie sie es nennt, setzt sie seit 1990 für den Tourismus ein. Sie war Abteilungsleiterin für die Volksbank Reisen GmbH, arbeitete für das Austrian Convention Bureau, war für die Niederösterreich Werbung tätig, leitete die Abteilung Grundsatzpolitik für Tourismus-und Freizeitwirtschaft im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und war bis zu ihrem Wechsel in die ÖW Geschäftsführerin der Bundessparte Tourismus-und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich.

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