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Die Lösung für Südtirol

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Der italienische Verfassungsgerichtshof hat mit Urteil vom 28. Februar 1957 den Gesetzentwurf für Verfassungswidrig erklärt, mit dem die beiden Provinzen der Region Südtirol und Trentino eigene Verwaltungsbefugnisse auf den Gebieten der Land-, Forst- und Almwirtschaft, Urbarmachung, Viehzucht, Jagd und Fischerei ausiiben und gleichzeitig jenen Teil der regionalen Aemter übernehmen wollen, den bisher die Region selbst für beide Provinzen zu erledigen hatte. Der italienische Verfassungsgerichtshof geht bei der ausführlichen Begründung dieses Urteiles von Thesen aus, die zwar in der italienischen Verfassung verankert sein mögen, aber den Grundsätzen des seinerzeitigen

Abkommens Gruber—Degasperi widersprechen: dieses sprach nämlich von einer gleichmäßigen Behandlung beider Volksgruppen. Gerade das aber wird durch die genannte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, die das italienische Uebergewicht in den Verwaltungsbefugnissen der Region legalisiert, unmöglich gemacht.

Es ist nicht der Zweck dieser Zeilen, die Richtigkeit der Auffassung des italienischen Verfassungsgerichtshofes zu prüfen. Hier soll lediglich auf Grund von amtlichen Daten (Landtagswahl 1956) festgehalten werden, daß in der Provinz Bozen immerhin noch eine deutsche Mehrheit von 64,97% besteht und von den 112 Gemeinden der Provinz 5 Städte und 99 Landgemeinden eine deutsche Mehrheit und lediglich 5 Landgemeinden und 2 Städte eine italienische Mehrheit haben.

Italienische Mehrheiten haben die Städte: Bozen mit 76,7% und 34.731 italienischen Stimmen gegenüber 23,3% mit 10.538 deutschen Stimmen. und Meran mit 57,5% und 9265 italienischen Stimmen gegenüber 42,5% mit 6833 deutschen Stimmen.

Von den Landgemeinden haben italienische Mehrheiten: 1. Branzoll mit 56,5% und 562 italienischen gegenüber 43,5% und 433 deutschen Stimmen. 2. Franzensfeste mit 62,3% und 425 italienischen gegenüber 37,7% und 258 deutschen Stimmen. 3. Leifers mit 58,3% und 2167 italienischen gegenüber 41,1% und 1511 deutschen Stimmen. 4. Pfatten mit 76.1% und 287 italienischen gegenüber 23,9% und 90 deutschen Stimmen. 5. Latum mit 61,1% und 962 italienischen gegenüber 38,4% und 601 deutschen Stimmen.

Die Mehrheit in Branzoll und Pfatten bestand schon in Friedenszeiten, während die Mehrheiten in Franzensfeste, Saturn und Leifers erst neu entstanden sind — in Leifers sind übrigens am meisten kommunistische Stimmen abgegeben worden …

Die anderen Städte und Landgemeinden sind durchweg deutsch. 7 von diesen Gemeinden haben nicht einmal lOitalienische Stimmen aufgebracht, und zwar: Andrian mit 4 italienischen Stimmen oder 1,3% gegenüber 98,7% deutschen Stimmen, Kuens mit 2,8% und 3 italienischen Stimmen gegenüber 97,2% deutschen Stimmen, Rodenegg mit 1,9% und 1 italienischen Stimme gegenüber 98,1% deutschen Stimmen, Pfalzen mit 6 italienischen Stimmen und 1% gegenüber 99% deutschen Stimmen, Percha mit 0,8% und 4 italienischen Stimmen gegenüber 99,2% deutschen Stimmen, Terenten mit 0,7% und 4 italienischen Stimmen gegenüber 99,3% deutschen Stimmen, Voran mit 0,9% und 3 italienischen Stimmen gegenüber 99,1% deutschen Stimmen.

Unter 50 italienische Stimmen zählten folgende 29 Gemeinden: Aldein: 2,3% italienische und 97,7% deutsche Stimmen, Deutschnofen: 2,8% italienische und 97,2% deutsche Stimmen, Gais: 2,8% italienische und 97,2% deutsche Stimmen, Gsies: 3,5% italienische und 96,5% deutsche Stimmen, Jenesien: 3,3% italienische und 96,7% deutsche Stimmen, Lajen: 2,5% italienische und 97,5% deutsche Stimmen, Laurein: 5,5% italienische und 94,5% deutsche Stimmen, Lüsen: 2,3% italienische und 97,7% deutsche Stimmen. Marteli: 4,1% italienische und 95,9% deutsche Stimmen, Mölten: 2,4% italienische und 97,6% deutsche Stimmen, Moos: 4,2% italienische und 95,8% deutsche Stimmen, Mühlwald: 2% italienische und 98% deutsche Stimmen, Nals: 8,6% italienische und 91,4% deutsche Stimmen, Plaus: 7,7% italienische und 92,3% deutsche Stimmen, Prags: 3,1% italienische und 96,9% deutsche Stimmen, Proveis: 15,9% italienische und 84,1% deutsche Stimmen, Rasen/Antoolz: 4,4% italienische und 95,6% deutsche Stimmen,Riffian: 19,4% italienische und 80,6% deutsche Stimmen, St. Martin im Passeier: 3% italienische und 97% deutsche Stimmen, Schnalstal: 3,5% italienische und 96,5% deutsche Stimmen, Schönna: 2,3% italienische und 91,9% deutsche Stimmen, Tiers: 8,1% italienische und 91,9% deutsche Stimmen, Tisens: 3,7% italienische und 96,3% deutsche Stimmen, Ulten: 1,8% italienische und 96,2% deutsche Stimmen, Unserliebefrau i. W.: 13,6% italienische und 96,4% deutsche Stimmen, Villanders: 3,1% italienische und 96,9% deutsche Stimmen, Villnöß: 3,7% italienische und 96,3% deutsche Stimmen, Welschnofen: 4,6% italienische und 95,4% deutsche Stimmen.

Zwischen 50 und 100 italienischen Stimmen wurden in 21 Süc iroler Gemeinden abgegeben, und zwar in: Ahmtal: 73 (3%) italienische und 2334 (97%) deutsche Stimmen, Corvara: 96 (28,7%) italienische und 238 (71,3%) deutsche Stimmen, Graim 97 (8,7%) italienische und 1017 (91,3%) deutsche Stimmen, Kastellbell: 69 (6,3%) italienische und 1007 (93,7%) deutsche Stimmen, Kiens: 75, (7,7%) italienische und 896 (92,3%) deutsche Stimmen, Kurtatsch: 87 (7,2%) italienische und 1129 (92,8%) deutsche Stimmen, Latsch: 99 (5,5%) italienische und 1697 (94,5%) deutsche Stimmen, Natz/Schabs: 72 (12%) italienische und 538 (88%) deutsche Stimmen, Niederdorf: 96 (12,9%) italienische und 650 (87,1%) deutsche Stimmen, Olang: 94 (6,3%) italienische und 945 (93,7%) deutsche Stimmen, Prad (Vintschgäu): 75 (5,9%) italienische und 1190 (94,1%) deutsche Stimmen, Ratschings: 80 (4,8%) italienische und 1486 (95,2%) deutsche Stimmen, St. Leonhard (Passeier): 89 (7.2%) italienische und 1139 (82,8%) deutsche Stimmen, St. Lorenzen (Pustertal): 54 (4%) italienische und 1280 (96%) deutsche Stimmen, Sarnthein: 85 (3%) italienische und 2700 (97%) deutsche Stimmen, Schludems: 234 (10,7%) italienische und 1962 (89,3%) deutsche Stimmen, Sexten: 23 (2,3%) italienische und 994 (97,7%) deutsche Stimmen, Täufers (Munstertal): 67 (20,9%) italienische und 263 (79,1%) deutsche Stimmen, Dorf Tirol: 38 (8,1%) italienische und 429 (91,9%) deutsche Stimmen, Tscherns: 55 (11,6%) italienische und 410 (88,4%) deutsche Stimmen, Vintl (Pustertal): 82 (6,3%) italienische und 1120 (93,7%) deutsche Stimmen.

Von 100 bis 500 italienischen Stimmen wurden in 28 Gemeinden gezählt, und zwar: Algund: 293 (16,8%) italienische und 1456 (83,2%) deutsche Stimmen, Barbian: 126 (18,3%) italienische und 561 (81,7%) deutsche Stimmen, Burgstall: 272 (46,4%) italienische und 314 (53,6%) deutsche Stimmen, Enneberg im Gadertal: 461 (39,3%) italienische und 712 (60,7%) deutsche Stimmen, Freienfeld: 107 (9,3%) italienische und 1039 (90,7%) deutsche Stimmen, Gargazon 146 (32%) italienische und 297 (68%) deutsche Stimmen, Montan 103 (12,2%) italienische und 676 (86,8%) deutsche Stimmen, Mühlbach (Pustertal): 153 (14,4%) italienische und 912 (85,6%) deutsche Stimmen, Margreid: 216 (35,2%) italienische und 380 (63,8%) deutsche 887 (21,8%) deutsche Stimmen. Natums: 126 (7,6%) italienische und 1530 (92,4%) deutsche Stimmen, Ritten: 247 (9,6%) italienische und 2338 (90,4%) deutsche Stimmen, Sand im Täufers: 122 (7,4%) italienische und 1538 (92,6%) deutsche Stimmen, St. Christina am Groden: 121 (28,6%) italienische und 451 (71,3%) deutsche Stimmen, St. Martin in Thum (Gadertal): 461 (39,3%) italienische und 712 (60,7%) deutsche Stimmen, Schlanders (Vintschgäu): 234 (10,7%) italienische und 1962 (89,3%) deutsche Stimmen, Terlan 414 (28,6%) italienische und 1031 (71,4%) deutsche Stimmen, Toblach: 275 (20,9%) italienische und 1042 (97,1%) deutsche Stimmen, Tramin (Unterland): 110 (6,8%) italienische und 1500 (93,2%) deutsche Stimmen, Truden 122 (24,1%) italienische und 35 8 (75,9%) deutsche Stimmen, Vahrn: 361 (26,7%) italienische und 991 (73,3%) deutsche Stimmen, Völs am Schiern 118 (10,8%) italienische und 973 (89,2%) deutsche Stimmen, Weidbruck: 106 (42,9%) italienische und 141 (57,1%) deutsche Stimmen, Welsberg: 136 (12,2%) italienische und 982 (87,8%) deutsche Stimmen, Stimmen, Marling: 348 (28,2%) italienische und Wiesen (Pfitsch): 119 (11,1%) italienische und 956 (88,9%) deutsche Stimmen, Wolkenstein (Gadertal): 189 (26%) italienische und 537 (74%) deutsche Stimmen, Abtei (Gadertal): 438 (45,7%) italienische und 520 (54,3%) deutsche Stimmen, Auer: 466 (40,8%) italienische und 677 (59,2%) deutsche Stimmen.

In 4 Gemeinden waren 500 bis 1000 italienische Stimmen, und zwar: Eppan 647 (14,2%) italienische und 3599 (84,8%) deutsche Stimmen, Neumarkt im Unterland: 849 (46,4%) italienische und 979 (53,6%) deutsche Stimmen, Kaltem: 507 (16,4%) italienische und 2590 (83,6%) deutsche Stimmen, St. Ulrich: 656 (40,5%) italienische und 964 (59,5%) deutsche Stimmen.

In Teilsummen ausgedrückt, ergibt eine Statistik der Südtiroler Landtagswahl 1956, daß lediglich in zwei Gemeinden eine deutsche Minderheit von 20 bis 35% vorhanden ist, während sich in zwei weiteren Gemeinden eine deutsche Minderheit von 35 bis 40% und in drei weiteren Gemeinden eine deutsche Minderheit von 40 bis 45% ergab, in vier Gemeinden eine deutsche Mehrheit von 50 bis 5 5%, in weiteren vier Gemeinden eine deutsche Mehrheit von 55 bis 60%, in weiteren vier Gemeinden eine deutsche Mehrheit von 60 bis 65%, in einer Gemeinde eine deutsche Mehrheit von 65 bis 70%, in zehn Gemeinden eine deutsche Mehrheit von 70 bis 75%, in drei Gemeinden eine deutsche Mehrheit von 75 bis 80%, in sechs Gemeinden eine deutsche Mehrheit von 80 bis 85%, in 27 Gemeinden eine deutsche Mehrheit von 85 bis 90%, in 23 Gemeinden eine deutsche Mehrheit von 90 bis 95% und in 33 Gemeinden eine deutsche Mehrheit von 95 bis 100%.

Von insgesamt 192.802 abgegebenen Stimmen waren 125.580 deutsch und 67.222 italienisch, also 58.358 deutsche Stimmen mehr als italienische.

Angesichts dieser amtlichen statistischen Daten muß man sich wohl mit Recht fragen, ob die derzeitige Verwaltungsform wirklich dem Sinne des Abkommens Gruber—De- gasperi entspricht, das „im Sinne weitherzigen Entgegenkommens und gegenseitigen Verständnisses der beiderseitigen Probleme die beiden Volksgruppen vereinigen soll”. Ist es angängig, daß man in einer Gemeinde, wo nur 3 Italiener und 106 Deutsche, 4 Italiener und 481 Deutsche, 6 Italiener und 599 Deutsche oder 4 Italiener und 592 Deutsche wohnen, nur in italienischer Amtssprache verkehren kann? Wobei feststeht, daß höchstwahrscheinlich nur die Amtspersonen selbst (Lehrer und Carabiniere) italienisch können! Italienische Stimmen sind doch dort nur von italienischen Beamten, Carabiniere und Finanzern abgegeben worden, während in diesen bäuerlichen Gemeinden kaum ein italienischer Arbeiter, geschweige denn ein italienischer Bauer ansässig ist. Dem Naturrecht allein schon widerspricht es, daß eine so überragende Mehrheit zu einer Minderheit herabgedrückt wird.

Es wird also nur eine echte Lösung für das Problem Südtirol geben, nämlich den Südtirolern innerhalb der heutigen Grenzen die Selbständigkeit im Rahmen einer eigenen Provinzialautonomie zu gewähren.

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