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Man mag witzeln: Deutschland habe zwar eine Diskussion darüber, aber kein Holocaust-Mahnmal. In Österreich sei es genau umgekehrt.

Obiger Befund stimmt jedoch nicht. Denn es gab sehr wohl eine Auseinandersetzung über das Mahnmal, das jetzt doch auf dem Wiener Judenplatz aufgestellt werden wird. Die ganze Sache verlief zwar typisch österreichisch, wurde aber immerhin (im Gegensatz zu Deutschland, wo die Diskussion über eine entsprechende Gedenkstätte in Berlin nach wie vor die Gemüter erhitzt) einer Lösung zugeführt: Zuerst entschied man sich für das Denkmal und seinen Standort, dann wurde der Entwurf der Britin Rachel Whiteread ausgewählt, die die Arbeiten auch ausführte*; erst danach begann eine (vergleichsweise karge) öffentliche Debatte, die lediglich durch die Entdeckung einer mittelalterlichen Synagoge am Judenplatz und dadurch hervorgerufene Querelen unter Wiener Juden angeheizt erschien. Der Fall ist aber erledigt: Auf gut österreichisch wird der geplante Standort um eine Nuance verlegt, sodaß Mahnmal und unterirdische Synagoge einander nicht in die Quere kommen.

Auf diese Weise wird ein längst fälliges Zeichen verwirklicht: Daß die Zweite Republik mehr als 50 Jahre alt werden mußte, bis dieser Gedenkort an die Judenvernichtung (nicht vermengt mit "anderem" Gedenken wie beim Hrdlicka-Mahnmal gegen Krieg und Faschismus) errichtet wird, spricht schon für sich.

Für den nichtjüdischen, für den christlichen Österreicher, der die Geschichtslast der Judenverfolgung anzunehmen und weiterzutragen hat, gibt es keinen besseren Ort für das Mahnmal als den Wiener Judenplatz: Immer noch prangt dort die antijüdische mittelalterliche Inschrift, die den Judenpogrom von 1421 verherrlicht. Ein Ort der Schande, auch wenn in Kürze Kardinal Schönborn dort eine Tafel anbringen läßt, welche die christliche Judenfeindschaft einbekennt und ihr eine eindeutige Absage erteilt.

Solcher Ort kann und darf nicht ein liebliches, barockes Plätzchen bleiben, an dem nur die Denkmalpfleger und Ensembleschützer das Sagen haben: Nicht bloß der 12. März 1998, der 60. Jahrestag des Anschlusses, sollte daran erinnern, daß hinter einer österreichischen Fassade Abgründe lauern können.

*) Artikel dazu: siehe Seite 18

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