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Ein Theaterkonzern als Holding-Gesellschaft

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„Die Bundestheater sind der größte Theaterkonzern der Welt“, erklärte Dr. Gottfried Heindl, der neue Chef der Bundestheaterverwaltung und — wie er selbst von sich sagt — „hoffentlich der letzte“. Heindl, der sich den Erfolg um der Sache willen wünscht, will diesen Konzernbetrieb, für den der Österreicher immerhin pro Person und Tag 18 Groschen an Steuergeldern zahlen muß, endlich jenes Management geben, wie es jeder wirtschaftliche Betrieb dieser Größe nun einmal braucht. So Heindl: „Jeder Großbetrieb, ob in Wirtschaft oder Kultur, muß auf zehn Jahre hinaus vorausplanan.“ Die Bundestheater aber improvisieren.

Was Heindl außer großräumigen Gesamtvorstellungen sonst noch vorschwebt, konnte man im Detail nicht einmal nach eingehender Befragung erfahren. Einmal, als man glaubte, die „Katze“ — wie sich Heindl selbst ausdrückte — sei „aus dem Sack gelassen“ und er, der neue Bundestheater-generalmanager, werde die Hauptaufgabe haben, zuständigen Ministerien gegenüber die Vorrangigkeit von Wissenschaft und Erziehung und der Bundes -theater klarzulegen, da meinte Heindl selbst: „Ich befürworte Wissenschaft und Erziehung, aber ich glaube, daß die Bundestheater für unsere zukünftiges kulturelles Leben ebenso eine Priorität haben.“ Denn sonst — so befürchtet der neue Bundestheaterchef — würde das Trauma (das viele Prognosen über ein zukünftiges “Österreich beinhalten), daß wir „eine Nation der Schifahrer, Hotelportiers und Stubenmädchen sind“, Wirklichkeit werden.

Wenn er seine eigene Arbeit umreißt, hält er es ebenso mit dem Vormärz wie er auch seine geistigen Richtlinien eindeutig aus dem 19. Jahrhundert bezieht. So zitiert er — über die Einmischung in die Kompetenzen der einzelnen Bundestheater befragt — Metternich: „Ich tue nichts, was andere nicht auch tun können.“ Er betrachtet Grillparzer als seinen Lieblingsdichter, um gleich hinzuzufügen, er möchte kein Grillparzerischer Held sein — weil diese nun einmal alle tragische Helden seien.

Wichtigstes Anliegen von Dr. Heindl wird es sein, die entsprechenden legislativen Schritte für eine Neuordnung der Bundestheater zu tun. Und hier liegen Dr. Heindl bereits drei recht brauchbare gesetzliche Entwürfe vor:

• der Entwurf der Gewerkschaft „Kunst und freie Berufe“ — übrigens der älteste aus dem Jahre 1965 (Heindl: „ein ... ähnlicher Bundesbetrieb, wie rein der innerbetrieblichen Verfassung nach das Dorotheum“);

• der von der „Furche“ veröffentliche Entwurf der „Aktion 20“ (1969 Nr. 6, siehe auch Nr. 7, 9 und 11);

• und schließlich ein hauseigener Entwurf aus der Bundestheaterverwaltung und dem Unterrichtsministerium.

Wie sehr es Dr. Heindl um das wirtschaftliche Management des neuen bundeseigenen Betriebes geht, zeigt seine Absicht, er werde alle Möglichkeiten der Selbstverwaltung bzw. der Betriebsreorganisation überprüfen und sich dabei die Modelle der Postsparkasse und des Dorotheums, der verstaatlichten Betriebe und der Bundesbahn ebenso zum Vorbild bzw. zur Vorlage nehmen wie auch die Modelle ausländischer Theaterbetriebe. Ob er sich dabei mehr an das Hamburger Beispiel, wo man den Betrieb als AG. führt, oder

an das gutnachbarliche Beispiel aus Bayern, wo man die Staatstheater — wie Heindl meint — „bezeichnenderweise auch als echte Staatsbetriebe wie in Österreich führt“?

Nun, auch darüber will sich der neue Bundestheaterchef, der kaum während seiner Pressekonferenz je wirklich konkret geworden ist, nicht äußern. Ja nicht einmal die Termine, bis zu welchen die legislativen Schritte unternommen sein sollten, werden von Heindl genannt. Er sinniert nur vor sich hin:

• eine Lösung, das heißt die Gesetzesvorlage, im Herbst 1970 hält er „für möglich“,

• eine solche bis Frühjahr 1971 für „noch realistisch“,

• einen positiven Abschluß bis Herbst 1971 für „sehr spät“.

Und obwohl Heindl vom besten Willen beseelt ist, wirklich eine großzügige Lösung herbeizuführen, wird man skeptisch, wenn man sieht, wie ihm schon jetzt seine künftigen Mitarbeiter, die Direktoren der Bundestheater, teilweise nur zögernd, teilweise überhaupt nicht folgen, wenn er sie mehrmals bittet, doch an seiner Seite Platz zu nehmen (nur Hofrat Dr. Reif-Gintl von der Staatsoper kam zögernd). Oder, wenn Fragen aus den Bundesländern, wie man sich künftig eine intensivere Zusammenarbeit mit den Landesbühnen außer durch Gastspiele vorstelle, nur recht ungenügend von Dr. Heindl, der natürlich noch kein eigenes Konzept haben kann, vor allem aber Vom Chef der St'aa'tsoper,“ Doktor Reif-Gintl, - beantwortet werden. (Dr. Reif-Gintl konnte zum Beispiel, nachdem er selbst davon gesprochen hatte, daß in Hinkunft junge Kräfte der Staatsoper mehr an die Bundesländertheater ausgeliehen werden sollen, nur mit Mühe und Not einen Bariton und eine Sopranistin nennen.) Er liebe das Pathos nicht, erklärte der neue Bundestheaterchef, obwohl er von der „Flamme“ spricht, die in den Jahren 1945 bis 1955 das Theaterleben in Wien hochgehalten habe, als man die Theater mit den Fingernägeln von Schutt und Trümmern befreite. Diese „Flamme“, die nach seiner Meinung noch immer brennt, will Dr. Heindl wieder beleben; er, der von sich selbst sagt, er sei ein Außenseiter, der aber den Wechsel vom Kulturinstitut in New York in die Bundestheater kaum für gravierender hält, als seinerzeit den von der ÖVP-Bundes-parteileitung in die Kultur nach New York.

„Die Bundestheater dürfen keine Stätte des Pfründengeistes sein“, wird der neue Chef ein wenig pathetisch, „vielmehr sollten sie ein nationales Anliegen sein.“ Um es das wieder werden zu lassen, braucht Heindl das vitale Interesse der Jugend. Daß es hier am schulmäßigen Musikunterricht mangelt, ist für Heindl kein No-vum. Daß er in Hinkunft mehr Public-Relations für die Bundestheater treiben und die Werbung forcieren will, gibt Heindl zu. Mehr Inserate und Plakate stehen bei ihm aber an letzter Stelle seiner Öffentlichkeitsarbeit. Daß es ihm mit der Öffentlichkeitsarbeit aber wirklich ernst ist, zeigte wohl die Tatsache, daß er sich als erster Bundestheaterchef so kurz nach seinem Amtsantritt und mit nur wenig in der Hand der Presse stellte. Abschließendes „Zuckerl“ für die durch Zeitungsvertreter repräsentierte Öffentlichkeit: „Die Preise werden für die Theaterkarten so lange wie möglich in der. derzeitigen Höhe gehalten.“

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