"Duterte tötet schon seit zwanzig Jahren"

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Die katholische Kirche hat dem Klimawandel den Kampf angesagt, und der philippinische Präsident Rodrigo Duterte führt einen brutalen Krieg gegen die Drogenkriminalität. Doch das eigentliche Problem, erzählt Bischof Broderick Pabillo, interessiert die Regierung gar nicht. | Das Gespräch führte Mickey Manakas

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Die katholische Kirche hat dem Klimawandel den Kampf angesagt, und der philippinische Präsident Rodrigo Duterte führt einen brutalen Krieg gegen die Drogenkriminalität. Doch das eigentliche Problem, erzählt Bischof Broderick Pabillo, interessiert die Regierung gar nicht. | Das Gespräch führte Mickey Manakas

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"Ökologische Umkehr" ist eine Herausforderung in der Enzyklika "Laudato Si" von Papst Franziskus. Gemeint ist damit ein gemeinsamer Kampf gegen den Klimawandel. Der philippinische Bischof Broderick Pabillo referierte dazu letzte Woche bei der diesjährigen "Fachtagung Weltkirche". Im FURCHE-Gespräch spricht Bischof Pabillo über die Probleme des Klimawandels, aber auch über die politische und gesellschaftliche Situation in seinem Heimatland.

Die Furche: Mit welchen Maßnahmen möchte die katholische Kirche auf den Philippinen den ökologischen Wandel auf den Weg bringen?

Broderick Pabillo: Der erste Schritt für die Umkehr ist, dass wir "Laudato Si" bekannter machen. Wir haben 86 Diözesen im Land, in manchen ist die Enzyklika sehr bekannt, in anderen dagegen weniger. Wir müssen ein breiteres Bewusstsein für die Umweltproblematik schaffen. Außerdem brauchen die Menschen stärkeres Engagement. Ein großes Feld ist auch die Bekämpfung der Politik, die sich gegen das Klima wendet. Ein Beispiel sind hier die großen Bergbauunternehmen, die unsere Berge und Seen zerstören.

Gleichzeitig müssen wir den Menschen bewusstmachen, dass sie sich an die Klimaveränderungen anpassen müssen. Es gibt immer mehr Taifune und diese werden stärker. Während des Monsuns haben wir starken Regen und Flut, in manchen Bereichen gibt es die Trockenzeit El Nino. Die Menschen müssen auf diese Naturphänomene vorbereitet sein.

Die Furche: Der Klimawandel ist kein philippinisches Problem, sondern ein globales.

Pabillo: Das Klima in Dritte-Welt-Ländern wird durch den Lebensstil der Menschen aus Ländern der Ersten Welt beeinträchtigt. Diese finanzieren fossile Brennstoffe und die Bergbauunternehmen. Außerdem verursacht ihr Lebensstil sehr viel Müll, der zu uns kommt. Es benötigt viel Zusammenarbeit, damit die armen Länder nicht unter dem Lebensstil der westlichen Welt leiden.

Die Furche: Gibt es diesbezüglich Zusammenarbeit zwischen Ländern der Ersten und der Dritten Welt?

Pabillo: Ja, sehr viel, zum Beispiel diese Konferenz. Wir haben eine starke Zusammenarbeit mit Organisationen wie "Misereor" und "Missio" in Deutschland. Zusammen mit diesen propagieren wir eine Veränderung des Lebensstils. Auch in den USA, wo unsere globale katholische Klimabewegung startete, die nun auch auf den Philippinen populär wird. Auch die Menschenrechte müssen über Druck von außen erhalten bleiben.

Die Furche: Derzeit kommt kein Druck von außen?

Pabillo: Wenn wir die Todesstrafe wieder einführen, wird Druck von der EU kommen. Wir haben einen internationalen Vertrag unterschrieben, dass wir das nicht tun werden. Ich hoffe auf ökonomischen Druck, der Duterte zweimal über seine Entscheidung nachdenken lässt.

Die Furche: Sie sind bereits seit vielen Jahren sehr engagiert im Feld des ökologischen Wandels tätig. Was haben Sie bisher alles erreicht?

Pabillo: Wir arbeiten zusammen mit kirchlichen Organisationen und NGOs an allen bereits genannten Fronten. Außerdem bemühen wir uns, mit der Regierung zusammenzuarbeiten, um ihnen die Probleme bewusst zu machen.

Die Furche: Die Situation auf den Philippinen ist angespannt, Präsident Duterte ist wegen seines Kampfes gegen Drogen sehr umstritten. Schon tausende Menschen fielen diesem zum Opfer. Wie sehen Sie die aktuelle Situation im Land?

Pabillo: Es sind inzwischen schon über 10.000 Tote. Wie viele genau, können wir nicht sagen. Entweder die Polizei versteckt die Aufnahmen, oder es existieren gar keine. Und ja, wir haben ein Drogenproblem im Land. Aber dieses mit Morden zu bekämpfen, ist nicht der richtige Weg. Die meisten getöteten Menschen sind sehr arm. Das Drogenproblem bleibt aber weiter bestehen. Die Quelle des Übels wird nicht getroffen. Deshalb haben die Bischöfe aufgerufen, die Armut zu bekämpfen. Nur so kann man auch das Drogenproblem lösen. Viele Menschen nehmen Drogen, weil sie arm sind. Manche Menschen brauchen Kraft für einen langen Arbeitstag, andere nehmen Drogen um ihr Hungergefühl zu unterdrücken. Im Drogenhandel enden die Menschen, weil es schlichtweg keine Arbeit gibt. Es ist der einzige Weg, um die eigene Familie zu versorgen. Ein weiteres Problem ist die Familie. Menschen, die Drogen nehmen, haben schwache Familien, oder Familien, die sie nicht beschützen, ihnen keine angemessenen Werte vermitteln. Das dritte Problem ist die Korruption in der Regierung und Polizei. Die Lösung ist jedenfalls nicht, Menschen zu töten. Duterte war früher Bürgermeister von Mindanao, er tötet bereits seit 20 Jahren. Das Drogenproblem ist noch immer da.

Die Furche: Wie könnten die Probleme der Armut und der Familie gelöst werden?

Pabillo: Es müsste mehr Regierungsprogramme gegen Armut geben. Ein Ansatzpunkt wäre Arbeit. Es gibt keine festen Arbeitsverträge. Des Weiteren müssen wir uns der Armut im ländlichen Raum annehmen. Es gibt keine Programme zur Stärkung der Landwirtschaft. Über 50 Prozent der Menschen leben aber von dieser oder von der Fischerei.

Die Furche: Das Problem ist also das, was die Regierung tut, bzw. was sie nicht tut?

Pabillo: Ja. Es werden die falschen Menschen beschuldigt, die Lösung falsch angegangen.

Die Furche: Wie positioniert sich die katholische Kirche bezüglich der Auseinandersetzungen mit den islamistischen Terroristen im Süden des Landes?

Pabillo: Wir haben dieses Thema vor zwei Wochen in unserem Hirtenbrief angesprochen. Für uns ist das ist kein religiöser Krieg. Das Problem in Mindanao ist kein Krieg zwischen Muslimen und Christen. In Wirklichkeit sind beide Gruppen von diesem Problem betroffen und helfen einander. Außerdem bezweifeln wir, dass die Einführung des Kriegsrechts die Situation normalisieren wird. Ich hoffe, dass die Regierung mehr Geld in die Rehabilitierung der Menschen und Häuser investieren wird, anstatt Munition und Bomben zu kaufen.

Die Furche: Die philippinische Bischofskonferenz kritisierte Duterte häufig. Dieser beleidigte die Bischöfe im Gegenzug. Wieso wurde trotz allem ein Regierungssympathisant zum neuen Vorsitzenden gewählt?

Pabillo: Der neue Vorsitzende sympathisiert nicht mit der Regierung. Sie kommen zufällig aus dem selben Ort und kennen sich bereits sehr lange. Natürlich hoffen wir dadurch auf eine bessere Beziehung. Eine bessere Beziehung heißt aber nicht, dass wir schweigen, wenn Unrecht geschieht. In der Konferenz ist unsere Richtlinie seit Präsident Marcos "kritische Zusammenarbeit". Wir unterstützen die guten Dinge, aber behalten uns das Recht zu kritisieren. Wir arbeiten auch mit mehreren Senatoren gegen die Todesstrafe. Zwar wurde diese im Unterhaus beschlossen, es bleibt aber immer noch der Senat. Viele Senatoren sind gegen die Wiedereinführung. Ohne ein funktionierendes Rechtssystem würde die Einführung nur den Armen schaden. Denn die haben keine Anwälte, die sie verteidigen.

Die Furche: Sind die vielfachen, von Duterte veranlassten Tötungen legal?

Pabillo: Unser Rechtssystem funktioniert nicht. Es gibt Gerichte ohne Richter, wir haben keine Staatsanwälte, wir haben Korruption in der Polizei. Die Menschen erfahren also keine Gerechtigkeit. Deswegen unterstützen sie die Tötung von Drogensüchtigen. Ob die getöteten Menschen tatsächlich drogensüchtig sind, kann man nicht wissen. Sie werden ohne ordentliche Untersuchung beschuldigt.

Die Furche: Woher kommen die Drogen?

Pabillo: Die meisten Drogen werden aus China importiert, und Duterte freundet sich mit den Chinesen an. Das Thema der Drogen wird dabei nicht ein einziges Mal angesprochen. Es ist zwar nicht bestätigt, aber man spricht darüber, ob Duterte nicht selbst ein Teil des Problems ist.

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