Psychotherapie für Kinder

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Die Wiener Institute für Erziehungshilfe wollen vor allem sozial benachteiligten Kindern die Chance auf eine Psychotherapie bieten.

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Die Wiener Institute für Erziehungshilfe wollen vor allem sozial benachteiligten Kindern die Chance auf eine Psychotherapie bieten.

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Die Geschichte der Familie X ist sehr kompliziert. Herr und Frau X haben beide Söhne aus erster Ehe, ohne jedoch die beiden Stiefbrüder über ihre Herkunft aufgeklärt zu haben. Als Hansi, der leibliche Sohn von Herrn X beginnt, seinem Vater kleinere Geldbeträge zu stehlen, um damit seiner Stiefmutter großzügige Geschenke zu machen, werden die Eltern hellhörig und suchen an einem der Institute der Wiener Child Guidance Clinic Hilfe.

Die Institute für Erziehungshilfe, wie sie sich auch nennen, gehen auf die Initiative eines Schülers von Sigmund Freud zurück. August Aichhorn leitete die Wiener Städtischen Knabenhorte vor dem Ersten Weltkrieg und war in der Jugendfürsorge tätig. Sein Bestreben, psychoanalytische Erziehungsmethoden anzuwenden, scheiterte jedoch an den Zwängen der Institution, für die er tätig war. 1949 schließlich wurde das "Institut für Erziehungshilfe der Gemeinde Wien" gegründet, das inzwischen fünf Institute umfaßt. Ambulante Psychotherapie für Kinder und Jugendliche und die Beratung der mit ihrer Erziehung betrauten Personen sind die wichtigsten Aufgaben dieser Institution.

Über die Schwierigkeiten, sozial bedürftige Kinder und Jugendliche in den Instituten der Wiener Child Guidance Clinic bestmöglich zu betreuen, schreibt Herausgeberin Elisabeth Brainin in ihrem Beitrag zu dem Buch "Spielerische Lösungen". Anhand von Fallbeispielen, wie der Geschichte von Hansi, der aus Angst, er könnte seine Stiefmutter wie seine leibliche Mutter verlieren, zu stehlen begann, schildert die Leiterin eines der fünf Wiener Institute für Erziehungshilfe, von welchen Faktoren die Behandlung der Kinder beeinträchtigt werden kann.

"In den letzten Jahren entwickelte sich eine neue Form des Widerstandes gegen Psychotherapie. Mit zunehmender sozialer Akzeptanz von Psychotherapie kommt es zu überhöhten Erwartungen, die sich sowohl auf die Dauer der Therapie beziehen, als auch auf die Auswirkungen einer Kindertherapie. Gerade im Umgang mit Institutionen, aber auch bei den Eltern mußten wir... feststellen, daß ... erwartet wird, ein ,schlimmes' Kind, ... sehr schnell in ein pflegeleichtes Kind zu verwandeln." So beschreibt die Psychiaterin und Psychoanalytikerin die Hauptschwierigkeiten bei der Behandlung von Kindern an ihrem Institut.

Mit der Ausarbeitung eines Patientendokumentationssystems beschäftigt sich Gerald Kral, zweiter Herausgeber des Buches "Spielerische Lösungen". Der Klinische Psychologe und Psychotherapeut will damit einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätssicherung im Bereich der Institutsarbeit leisten. Ihm liegt auch viel an einer ausgeprägten Kundenorientierung, sowie einer verstärkten Information der Öffentlichkeit über die psychotherapeutische Arbeit der Wiener Child Guidance Clinic. In diesem Sinne ist wohl auch das vorliegende Buch zu verstehen. Es "gibt... auch die Erfahrung," schreibt Kral in seinem Beitrag, "daß keine oder schlechte Kommunikation nach außen zum Entstehen von Mythen führt, die nur sehr schwer zu korrigieren sind und unangenehme, nachteilige Situationen bewirken."

Unter den weiteren Autoren ist auch Universitätsprofessor Max Friedrich, Vorstand der Wiener Universitätsklinik für Kinder- und Jugendlichenneuropsychiatrie, der die Psychotherapie und ihre Stellung an der Klinik beschreibt. Er hebt in seinem Beitrag hervor, wie wichtig hohe Qualitätsanforderungen in der Wissenschaft, Forschung und Lehre sind, denen die Universitätsklinik in erster Linie verpflichtet ist. "Wissenschaft und Forschung in der Psychotherapie verlangen einen hohen ethischen Forderungskatalog, schließlich ist das Kind kein Versuchsobjekt und Forschungsopfer," schreibt der Psychiater und Neurologe.

Die weiteren Beiträge befassen sich unter anderem mit der Begleitung der Eltern eines in Behandlung stehenden Kindes, mit psychologischen Testverfahren, mit deren Hilfe die Diagnose erstellt wird, sowie mit den Ursachen und der Behandlung von Lern- und Leistungsstörungen, die der häufigste Grund dafür sind, daß Eltern sich hilfesuchend an eines der Institute der Wiener Child Guidance Clinic wenden.

Das Buch gibt einen Überblick über die psychotherapeutische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vor allem an den Instituten für Erziehungshilfe, deren vorrangiges Ziel die ambulante psychotherapeutische Behandlung von unterprivilegierten Kindern und Jugendlichen ist.

Spielerische Lösungen Das Kind als Mittelpunkt psychotherapeutischen Denkens Herausgeber: Elisabeth Brainin und Gerald Kral, Picus Verlag, Wien 1998 197 Seiten, öS 291,

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