Unfassbares Glück

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Was passiert ihm Gehirn, wenn wir glücklich sind? Die Neurowissenschaft hat die Antwort.

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Was passiert ihm Gehirn, wenn wir glücklich sind? Die Neurowissenschaft hat die Antwort.

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Schokolade macht tatsächlich glücklich, und Glück macht Ratten süchtig. Das sind zwei der Erkenntnisse von Neurologen, die dem Glück im Gehirn auf der Spur sind. Viele andere Fragen sind aber noch offen, erzählt der Hirnforscher Lüder Deecke im Gespräch mit claudia feiertag

Die Frage, wie Glück entsteht, beantwortet Lüder Deecke schmunzelnd mit einer Gegenfrage: "Können Sie mich nichts Einfacheres fragen?" Man wisse einfach noch viel zu wenig über die diesbezüglichen Vorgänge im Gehirn Bescheid, erklärt der Leiter des Ludwig Boltzmann Institutes für funktionelle Hirntopografie. Ein paar Dinge sind aber doch klar. Zum Beispiel, dass der Botenstoff Serotonin eine große Rolle spielt. Ist der Spiegel dieses biochemischen Botenstoffes auf ausgeglichenem Niveau, fühlt man sich wohl. Deecke drückt es so aus: "Der Mensch ist - rein biologisch gesehen - dann glücklich, wenn alle seine Körpersäfte im Optimum sind."

Serotonin im Glück

Der Körper schüttet den Neurotransmitter in unterschiedlichen Situationen aus, etwa beim Essen, beim Sport oder beim Sex. Aber auch Faktoren wie die Sonneneinstrahlung beeinflussen die Serotoninbildung wesentlich, weshalb etwa in Ländern wie Finnland und Norwegen mit ihren langen Winternächten Depressionen laut Deeke weitaus häufiger sind als hierzulande.

Wissenschaftlich belegt ist inzwischen auch ein altes Gerücht: Schokolade macht tatsächlich glücklich. So wie Kakao, Käse, Nudeln und Fisch gehört sie zu den Lebensmitteln, die den Serotoninspiegel im Gehirn anheben. Denn sie enthalten besonders viel Tryptophan, eine Aminosäure, die für die Produktion von Serotonin notwendig ist. Fett und Kohlehydrate beschleunigen zusätzlich den Transport in den Stoffwechsel und die Umwandlung.

Wo im Gehirn sich das Glück abspielt, ist hingegen noch nicht ausreichend geklärt. Einer der Bereiche, der dafür in Frage käme, ist laut Deecke der locus caeruleus, ein kleiner Kern im Hirnstamm. In einem Versuch wurde Ratten in diesen Hirnbereich ein elektrischer Stimulator implantiert, den die Tiere durch Berühren einer Taste auf dem Käfigboden selbst aktivieren konnten. "Die Ratten taten das bis zur Erschöpfung, ohne zu essen oder zu schlafen und wären gestorben, wenn man das Experiment nicht beendet hätte", erzählt der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Allgemeinen Krankenhaus in Wien. Die Tiere hätten bei der Stimulation des locus caeruleus offenbar so etwas wie Glück empfunden.

Einen solchen Chip dem Menschen zu implantieren, wie es laut Deecke auch schon in verschiedenen Medien diskutiert wurde, sei zwar "eine abstruse und von Seiten der Wissenschaft sicher nicht unterstützenswerte Idee, aber wenn wir technisch einmal soweit sind, ist es sicher möglich." Allerdings hält der Forscher diese Erscheinungsform des Glücks für eine "sehr niedere Art des Glücksempfindens". Höhere Stufen, etwa das transzendentale Glück in der Meditation, seien mittels funktionaler Bildgebung in der Forschung dagegen bisher nicht belegbar. "Im Elektroenzephalogramm, der Messung der Hirnströme, sieht dieser Zustand aus, wie wenn man döst."

Glücks-Stirn

Es gebe aber Hinweise, dass neben dem locus caeruleus das Stirnhirn eine wesentliche Rolle spielt. "Wir wissen heute, dass sich in diesem Bereich Motivation und emotionale Einfärbung von Erlebtem abspielen", beschreibt Deecke. Daher sei zu erwarten, dass sich dort auch beim Empfinden von Glück Veränderungen abspielen. Bisher ist das allerdings reine Vermutung.

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