Polyamor - © Foto: Pixabay

Warum sich heterosexuelle Paare von Polyamorie bedroht fühlen

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Etwa fünf Prozent der Erwachsenen halten sich für polyamor. Aber nur rund ein Zehntel lebt die Polyamorie aus. Warum ist das so? Über sexuelle Normen, Eifersucht und das Coming out.

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Etwa fünf Prozent der Erwachsenen halten sich für polyamor. Aber nur rund ein Zehntel lebt die Polyamorie aus. Warum ist das so? Über sexuelle Normen, Eifersucht und das Coming out.

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Für Eva vom Grazer Poly-Stammtisch ist klar: Sie hat sich ihren polyamoren Lebensstil nicht ausgesucht, sie hat es einfach gespürt. „Bei mir hat es in einer monogamen Beziehung begonnen, als ich merkte, mich zieht etwas an – ich war auch oft schlecht darin, treu zu sein.“ Dass Polyamorie nur eine Ausrede zum Fremdgehen ist, weist sie zurück. Es gehe um Liebe, um romantische Gefühle, um Zuneigung zu mehreren Personen. „Nachdem meine erste Beziehung, in der ich mich als polyamor bekannte, in die Brüche ging, machte ich viele positive Erfahrungen“, so Eva. Ihr nächster Freund hätte zu ihrer Überraschung ähnliche Wünsche gehabt –„da war zumindest die erste Herausforderung bewältigt“.

Eine einheitliche wissenschaftliche Definition für Polyamorie gibt es nicht. Laut dem Sozialwissenschaftler Stefan Ossmann von der Uni Wien, der sich im Zuge seiner Dissertation mit Polyamorie beschäftigt hat, gibt es unterschiedliche Ausprägungen. „Zum einen kann es eine intime Praxis sein, zum anderen Identität oder auch eine sexuelle Orientierung“, sagt Ossmann. Auch die WHO, die andere sexuelle Orientierungen wie Homo- oder Heterosexualität definiert, hat für Polyamorie keine Definition. Ossmann versucht eine Annäherung und beschreibt Polyamorie als „eine konsensuale Beziehung zwischen mehr als zwei Personen, basierend auf emotionaler Liebe und intimen Praktiken über einen längeren Zeitraum“. Wichtig sind die Unterscheidungen zu anderen nicht-monogamen Beziehungsformen. Eine offene Beziehung ist ein Arrangement eines eigentlich monogamen Paares, auch außerhalb der Beziehung Sex zu haben, Liebe spiele dabei in den meisten Fällen keine Rolle. Polygamie, speziell die Urform Polygynie, sei stark von Polyamorie zu trennen. Hier ist ein Mann gleichzeitig mit mehreren Frauen verheiratet, Offenheit und Freiheit wäre dabei nicht immer gegeben.

„Neoliberales Optimierungsmodell“

Wie viele Österreicher polyamor leben, ist nicht bekannt. Schätzungen aus dem anglo-amerikanischen Raum gehen davon aus, dass sich fünf Prozent der Erwachsenen für polyamor halten, aber nur ein Zehntel von ihnen ihre Neigung auslebt. Für Österreich würde das bedeuten, dass nur wenige Tausende offen mehr als einen Partner lieben. Die Gründe für Polyamorie sind vielfältig. Die wenig vorhandenen wissenschaftlichen Studien zum Thema rücken Begriffe wie „Freiheit, Neugierde und Offenheit“ ins Zentrum. „Polyamorie ist im Grund auch ein neoliberales Optimierungsmodell von Beziehungen – einige Personen versuchen durch mehrere Partner mehrere Bedürfnisse zu befriedigen“, sagt Ossmann. Selbst innerhalb der Community halte sich daher oft das Vorurteil, dass Polys meist junge, weiße Akademiker sind. Ossmann glaubt nicht daran: „Polyamorie ist wie Homosexualität in jeder Gesellschaftsgruppe verteilt, es ist nur eine Frage, welche Gesellschaftsgruppen sich zum Coming Out durchringen“.

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