Die ETA bombt und die Jugend klatscht

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Die jüngsten Anschläge auf der Ferieninsel Mallorca zeigen, dass die Terror-Organisation ETA auch 50 Jahre nach ihrer Gründung sehr lebendig ist. Und die gewaltbereiten baskischen Separatisten brauchen sich um den Nachwuchs keine Sorgen machen: Die Bomber-Szene findet Zuspruch.

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Die jüngsten Anschläge auf der Ferieninsel Mallorca zeigen, dass die Terror-Organisation ETA auch 50 Jahre nach ihrer Gründung sehr lebendig ist. Und die gewaltbereiten baskischen Separatisten brauchen sich um den Nachwuchs keine Sorgen machen: Die Bomber-Szene findet Zuspruch.

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Die ETA-Terroristen feiern Geburtstag – und am meisten Freude bereitet es ihnen, wenn sie dabei den spanischen Staat und seine Repräsentanten verhöhnen können: „Die Explosionen der Bomben klangen wie schallende Ohrfeigen“, schreibt die Zeitung Diario de Mallorca nach der neuerlichen Anschlagsserie auf der Ferieninsel am Sonntag. Die baskische Terror-Organisation ließ es dieses Mal nicht bei einem einzelnen Anschlag bewenden, sondern zündete gleich mehrere Bomben. Und das obwohl Palma de Mallorca derzeit die am besten gesicherte Stadt von ganz Spanien ist. Hunderte Sicherheitsbeamte machen Jagd auf die ETA-Terroristen, die vor zwei Wochen bei einem Anschlag zwei Beamte der Guardia Civil getötet haben. Obendrein muss die Polizei für die Sicherheit von König Juan Carlos sorgen, der auf der Insel Ferien macht.

Der Monarch verurteilte die Anschläge auch postwendend: „Dieser Bande von Mördern und Verbrechern wird es nicht gelingen, das demokratische Leben in Spanien oder die Normalität auf der Insel zu beeinträchtigen.“ Das mag stimmen und Juan Carlos wird hoffentlich Recht behalten. Doch der ETA gelingt es hervorragend, sich über die Polizei und deren Sicherheitsvorkehrungen lustig zu machen. Und zum 50. Jahrestag ihres Bestehens (siehe Grafik) kann die Terrorgruppe zeigen, dass sie mehr totgesagt und weniger tatsächlich tot ist, als gemeinhin angenommen.

Polizeiarbeit allein ist zu wenig

Warum jetzt? Warum Mallorca? ETA-Spezialist Franz Valandro sieht Zeitpunkt und Ort der Anschläge mit dem runden Geburtstag der Terror-Organisation und dem Urlaub des spanischen Königs begründet. Bereits 1995 wollte die Untergrundorganisation den spanischen König auf Mallorca ermorden. Wobei Valandro diesen neuerlichen Beweis an der ETA-Schlagkraft gar nicht gebraucht hätte. Der Vorarlberger Politologe sieht die Führungsetage der ETA „durch die polizeilichen Maßnahmen der letzten Jahre zwar sehr schwer getroffen“. Nach wie vor verfügt die Organisation jedoch über ein „intaktes und relativ großes Umfeld an Sympathisanten“, sagt Valandro im Gespräch mit der FURCHE.

Pünktlich zum Jubiläum befindet sich die Organisation sichtlich im Aufwind. Ihre Anschläge sind keine blindwütigen Verzweiflungstaten, sondern sorgfältig geplant. Bei der Bombenserie in Palma wollte sie keine Menschen töten. Mit der Explosion von vier kleineren Sprengsätzen wurden andere Ziele verfolgt: Die Separatisten versuchten, dem Tourismus – ein Grundpfeiler der spanischen Wirtschaft – zu schaden. Außerdem konnten sie zeigen, dass die Strategie der spanischen Regierung, den ETA-Terror allein mit polizeilichen Mitteln zu bezwingen, nicht zum Erfolg führt.

„Allein mit polizeilichen Maßnahmen wird es keine Lösung des Konflikts geben“, meint auch Franz Valandro, „wobei Lösung das falsche Wort ist – hier geht es eigentlich darum, wie dieser Konflikt zu managen wäre.“ Das größte Verständigungsproblem zwischen Madrid und der ETA sieht Valandro „im fehlenden politischen Verhandlungspartner“ auf Seite der baskischen Separatisten.

Der Dialogpolitik, die Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero zu Anfang seiner Amtszeit gegenüber der ETA eingeschlagen hat, bescheinigt Valandro, „eine gute Initiative“ gewesen zu sein. Letztlich ist sie aber an einem Richtungsstreit innerhalb der ETA gescheitert, bei dem sich der radikale Flügel durchgesetzt hat. Und nach der einseitigen Aufkündigung der Waffenruhe durch die ETA und einem schweren Anschlag auf den Madrider Flughafen Ende 2006 war es für Zapatero unmöglich, die Sondierungsgespräche mit den Separatisten fortzusetzen.

Nährboden für Extremisten bleibt

Günther Maihold, der stellvertretende Direktor der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, sieht den Waffenstillstand 2006 ebenfalls an ETA-internen Reibereien zerbrochen. Laut seiner im Interview mit der Deutschen Presse Agentur geäußerten Meinung entfernt sich die Organisation derzeit immer mehr von den politischen Realitäten. Will heißen: Die ETA kämpfe für eine Unabhängigkeit des Baskenlandes, die von den meisten Basken selber gar nicht mehr angestrebt werde. Dennoch gebe es weiterhin einen Nährboden für Extremisten, sagt Maihold, und bestätigt damit Valandros Einschätzung eines nach wie vor großen ETA-Sympathisantenkreises: Laut Umfragen halten 28 Prozent der Jugendlichen im Alter von 15 bis 18 Jahren im Baskenland den Einsatz von Gewalt für legitim.

Die jüngsten Anschläge folgen, laut Maihold, „einem Muster von Ehre und Ruhm“. Sie sollten zeigen, dass die ETA auch nach den substanziellen Zugriffen der spanischen und der französischen Sicherheitsbehörden militärisch weiterhin schlagkräftig ist. Für Spanien-Urlauber sieht Maihold kein erhöhtes Risiko: Die ETA will nicht – wie etwa islamische Terroristen – möglichst viele Menschen töten, sondern nimmt Vertreter der verhassten spanischen Zentralregierung, die Sicherheitskräfte oder Politiker ins Visier.

Doch der SWP-Experte diagnostiziert bei den gegenwärtigen Anschlägen auch Abweichungen vom früheren Vorgehen der ETA, die auf tiefgreifende Veränderungen in deren Organisation schließen lassen: Die ETA ist angeschlagen, weil spanische und französische Sicherheitsbehörden seit einigen Jahren erhebliche Fahndungserfolge erzielt haben, sagt Maihold. Deshalb gebe es jetzt innerhalb der ETA einen Strukturwandel hin zu relativ unabhängig agierenden Kommandos. Die Anschläge auf Mallorca als „letztes Aufbäumen“ der ETA zu bezeichnen, wie das andere Experten tun – davor möchte Franz Valandro aber warnen: „Die ETA hat immer wieder Schwächephasen gehabt“, sagt er, „und sich anschließend erholt.“

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