Architektur des Körpers

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Tamara de Lempicka, Femme fatale und Künstlerin zwischen Hochkunst und

Kommerz. Ein Porträt zur Ausstellung im BA-CA Kunstforum in Wien.

Als "stahläugige Göttin des Automobil-Zeitalters" beschrieb sie die New York Times nach ihrer Wiederentdeckung in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Dabei hatte sie nur aus der Not eine Tugend gemacht. Denn als die großbürgerliche Tamara de Lempicka und ihr als Anwalt erfolgreicher adeliger Mann aufgrund der Oktoberrevolution aus St. Petersburg nach Paris fliehen mussten, besann sich Madame auf ihre frühe Liebe zur Malerei und begann diese professionell zu betreiben. Freilich begnügte sie sich nicht damit, eine eigene malerische Handschrift zu entwickeln, ihr Ruf als Salonlöwin, in deren Leben auch noch das kleinste Detail sorgfältig inszeniert wurde, ist ebenso legendär wie das geschickte Ausnützen ihrer gesellschaftlichen Herkunft, was ihr gewinnbringende Porträtaufträge eintrug. Mit diesem Geld konnte sie wieder die Mühlen für ihre Publicity weiter drehen. All dies wäre ohne ein entsprechendes malerisches Markenzeichen nicht gelungen, eine beinahe alles überziehende Laszivität, die allerdings niemals ins Obszöne abgleitet.

Eigener Stil in Paris

Als die Großmutter ihre kleine Tamara mit nach Italien nimmt, sie durch viele Museen schleppt und vor allem die Renaissancekünstler erklärt, steht für das Mädchen der Entschluss fest: sie möchte Malerin werden. Mit voller Ernsthaftigkeit wirft sie sich allerdings erst in Paris ins Studium der Malerei, zuerst bei Maurice Denis, um schließlich in André Lhote, der einen aus dem 19. Jahrhundert herübergeretteten Klassizismus mit dem jungen Erbe des Kubismus verbindet, den prägenden Lehrer zu finden. Geschickt vervollkommnet Lempicka dann ihren Stil in diese Richtung. Von der hypertrophen Körpermodellierung von Michelangelo, über Ingres' eingefrorene Affekte und Posen der Zeitlosigkeit bis hin zur spezifischen Ausschnittwahl, wie sie die Fotografie als eigenständiges Medium entwickelt hatte, reichen die Ingredienzien von Lempickas Bildern. Sie verarbeitet das zeitgeistige Umfeld von Glamour und Dekadenz, changiert gekonnt zwischen Hochkunst und Kommerz, behandelt die Körper der Dargestellten wie Architektur und vermittelt damit die Entfremdung und Erstarrung einer unwohnlich gewordenen Umgebung auf überaus liebreizende Weise.

Der weibliche Körper

Neben den Porträts von arrogant gezeichneten Männern, auf denen sie die konkreten Personen geschickt mit dem jeweiligen sozialen Typus überblendet, verdienen vor allem ihre Versuche, den weiblichen Körper zu präsentieren, besondere Aufmerksamkeit. In ihren Akten wird er in unterschiedlichen Erscheinungsformen zu einer Chiffre für die Selbstbestimmung der Frau. Einmal als modernes Wesen, dann als laszive Verführerin oder als Manifestation der gleichgeschlechtlichen Liebe, wobei sich diese idealtypischen Schubladen auf dem gleichen Bild oftmals vermischen. Vielfach kommt noch das Element des schmachtenden Blicks einer Verzückung, wie wir ihn aus dem religiösen Kitsch kennen, hinzu. Die nach oben gewendeten, beinahe verdrehten Augen passen zur "Sklavin" genauso wie zur Skifahrerin auf dem Bild "St. Moritz" oder der "Genesenden". Bis auf wenige Ausnahmen tragen alle Frauen auf Lempickas Bildern grellroten Lippenstift. Dies gilt sogar für die "Erstkommunikantin", die vom durch die Taube verkörperten Heiligen Geist entschleiert wird. Aufgebrochen wird diese Geste nur in den Krisenbildern.

Mitte der 1930er Jahre will sich Lempicka aufgrund einer Schaffenskrise in ein Kloster zurückziehen. Die Mutter Oberin, die ihr diese unglückliche Idee ausredet, porträtiert sie dafür mit zwei Tränen in den Augen. Auch wenn sie sich dem Thema Flucht malerisch nähert, sieht sie von ihren Markenzeichen ab. Manchmal lässt sich eigene Betroffenheit eben nicht mehr durch den Zeitgeist überspielen.

Tamara de Lempicka,

Femme fatale des Art déco

BA-CA Kunstforum,

Freyung 8, 1010 Wien

Bis 2. Jänner 2005 tägl. 10-19 Uhr,

Freitag bis 21 Uhr.

Katalog:

Kunstforum Wien, Royal Academy of Arts (Hgg.), Tamara de Lempicka.

Femme fatale des Art déco, Ostfildern-Ruit 2004, 143 Seiten, e 29,-

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