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Der 50. Todestag Cezannes wird dieses Jahr in aller Welt gefeiert. Holland gab den Auftakt mit der Ausstellung im Haag, Frankreich zeigt in Aix-en-Provence Cezannes Bilder im August, die Schweiz in Zürich vom 21. August bis Ende September, Deutschland in München vom 7. bis 31. Oktober. Wenn sich auch manche der Bilder in allen Ausstellungen wiederfinden werden, so hat doch jede der Bilderschauen ihr eigenes Gesicht. Es ist nicht so, daß die gleiche Ausstellung auf Tournee geht.

Die Ausstellung in Aix-en-Provence, die unter dem Ehrenvorsitz Lionello Ven'uris steht und vom Generaldirektor der französischen Museen eröffnet wurde, verdankt nicht nur der Tatsache, von Cezannes Heimatstadt veranstaltet zu werden, ihren besonderen Charakter. Es ist ein unschätzbarer Vorteil, aus der Atmosphäre der besonnten südlichen Landschaft zu kommen und die Arbeitsstätten Cezannes, zum Teil seine Motive, seine Horizonte vergleichen zu können mit dem, was er daraus gemacht hat, was er im Bilde eingefangen, fixiert, sublimiert, vergeistigt hat. Von den etwa 70 Gemälden (etwa 30 Landschaften, ein Dutzend Stilleben, ebenso viele Porträts, fünf „Badende“-Motive, drei Zeichnungen eines Selbstbildnisses, seiner Frau und seines Sohnes), die Aix-en-Provence zeigt, sind die meisten in der Provence entstanden. Es ist der Stadt in der Rekordzeit von knapp fünf Monaten gelungen, Bilder in Aix zu konzentrieren, die zum Teil seit ihrem Verkauf ins Ausland oder an geschlossene Privatsammlungen nicht mehr öffentlich ausgestellt worden sind (u. a. die herrliche „Frau mit Kaffeekanne“, Sammlung Pellerin, der „Knabe mit dem roten Wams“, Sammlung Buehrle, „Junge Italienerin“, Sammlung Bakwin, New York, „Gardanne“ und „Zisterne des Chäteau Noir“ usw.) — Dank einer sehr einsichtigen Stadtverwaltung, dank dem Einfluß der eminenten Kunstwissenschaftler Lionello Ventura, Prof. Leymarie, John Rewald und Douglas Coo-per, dank vor allem der Großzügigkeit amerikanischer, englischer, aber auch Schweizer, österreichischer und deutscher Museen und Privatsammler konnten die Schwierigkeiten überwunden werden, die sich immer einer solchen repräsentativen Ausstellung entgegenstellen, wenn — wie im Fall Cezanne — die Werke in alle Welt verstreut worden sind.

Der Gedanke des allen gemeinsamen Kulturguts, der am Beispiel der Mozart-Feiern dieses Jahr so sichtbar lebendig wurde, ist bei einem Maler viel schwieriger zu verwirklichen. Zu häufig sind die Fälle der reichen Sammler, die die Bilder, die sie besitzen, nicht als allgemeines Kulturgut betrachten, sondern als eine stabile Kapitalsanlage, die ins Safe, in den Kassenschrank gehört und nicht in die Ausstellung, der Sammler, die nichts davon wissen, daß ein Bild erst unter den betrachtenden, bewundernden, forschenden, künstlerisch fühlenden Blicken der Beschauer an Wert gewinnt.

Aix-en-Provence. die Stadt Cezannes, hat manchen Fehler, manche Kurzsichtigkeit ihrer Väter wiedergutzumachen, Fehler, die sie schon bitter hat büßen müssen, weil von dem zu Lebzeiten von seinen Mitbürgern verkannten großen Maler kein einziges wertvolles Bild im Aixer Museum hängt und ein Rückkauf bei dem stetig steigenden unerschwinglichen Wert der Bilder so gut wie ausgeschlossen ist. Darum ergreift Aix die Gelegenheit, ihrem großen Sohn wenigstens geistig gerecht zu werden. Der für die Ausstellung gewählte Rahmen ist einzigartig: Der kostbare Pavillon Vendöme, ein Juwel der Architektur des 17. Jahrhunderts, einstiges Schloß des Gouverneurs der Provence, wo die südliche Landschaft durch die Fenster scheint und wo die Bilder an den Wänden das Gefühl geben, man sei intimer Gast, der die Schätze des Gastgebers bewundern darf.

Die vorgesehene Vortragsfolge berufener Kunsthistoriker wird das geistige Bild Cezannes in unserer Zeit ergänzen. Von französischen Persönlichkeiten werden Dermain Bazin, Konservateur des Lpuvre, Geston Berger, Bernard Dorival, Francis Jourdaim Rene Huyghe über verschiedene Aspekte des Malerwerks sprechen, Professor lean Leymarie aus Genf über „Cezanne und das Stilleben“, Douglas Cooper aus England über „Cezanne et son rayonnement“, Lionello Venturi über die „Stilbildung bei Cezanne“. und Professor Georg Schmidt aus Basel über den „Bildaufbau bei Cezanne“.

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