Hodlers Wiener Wahlverwandschaften

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"Als seine Geliebte Valentine Godé-Darel im Sterben lag, dokumentierte Hodler diesen Prozess so eindringlich und in einer in der Kunstgeschichte kein zweites Mal bekannten Dichte."

Die Wiener haben mir nun aus dem Dreck herausgeholfen!" So urteilte der Schweizer Maler Ferdinand Hodler einst nach seiner Secessions-Ausstellung 1904. Hier war der aus dem Berner Armenviertel stammende Künstler endgültig zu internationalem Ruhm gekommen, "hier fühlte er sich gefeiert, hier erfuhr er die Wertschätzung, die ihm bis dahin im eigenen Land versagt geblieben war", so der Direktor des Leopold Museums, Hans-Peter Wipplinger, der in seinem Haus nun die erste umfassende Hodler-Ausstellung in Österreich seit der damaligen Secessions-Schau veranstaltet. Rund 100 Gemälde und mehr als 50 Arbeiten auf Papier zeigt er dabei, teils chronologisch, teils mit Themenschwerpunkten. Vor allem stellt die Ausstellung Wahlverwandtschaften Hodlers mit den "Haus-Künstlern" des Leopold Museums, also "von Klimt bis Schiele" dar.

Nicht umsonst steht in einem Raum Mobiliar aus Hodlers Haus, darunter zahlreiche Stücke von Josef Hoffmann. Nicht von ungefähr hat man in eine Vitrine eine Ausgabe von "Ver Sacrum" gestellt. Man kannte die Arbeiten vice versa, hier werden sie einander gegenüber gestellt, um Wechselwirkungen zu präsentieren. In den Gemälden zeigt sich, wie Hodler durch die Kenntnis des Werks Gustav Klimts immer ausschmückender und farbintensiver arbeitet. Hodlers "Gartenlaube" hängt neben Klimts "Gartenlandschaft mit Bergkuppe"."Doch auch, wenn man hier 'Klimt'sche' Hodlers zeigen kann, so ist er in der Linienführung doch immer prägnanter als dieser", erklärt Wipplinger. "Man spürt die große Seelenverwandtschaft der beiden. Hodler wusste, was in Wien passierte, hatte ein Ver-Sacrum-Abo, bestellte Schiele-Bücher und arbeitete immer ornamentaler, dekorativer, üppiger." Auch Schieles Auseinandersetzung mit dem "Parallelismus" Hodlers wird gezeigt, von der Empfindung her zwar ganz anders als jene Hodlers, aber doch in seinem Sinne. Und selbst wenn von Albin Egger-Lienz bekannt wurde, dass er einen Ghostwriter beauftragte, um Hodler zu schaden, ist die Ähnlichkeit der Gestalten in den hier gegenüber gestellten Arbeiten der beiden Künstler doch augenscheinlich.

Lebendig wird die Schau auch durch zahlreiche Dokumente, darunter einige, die bisher noch nie ausgestellt wurden. Manche, wie die Einladung Klimts an Hodler, bereits 1897 an der Secessions-Ausstellung teilzunehmen, stammen aus dem Archiv Jura Büschweiler in Genf. Besonderes Augenmerk verdient andererseits ein Brief Hodlers an Franz Servaes, in dem dieser sein künstlerisches Gestaltungsprinzip des "Parallelismus" erläutert. "Danach suchte die Schweizer Kunstgeschichte bereits seit Jahrzehnten", freut sich Wipplinger. Erst kürzlich wurde es in einem Wiener Antiquariat entdeckt und vom Leopold Museum erworben.

Stilistische Weiterentwicklung

Abgesehen von den Gegenüberstellungen mit heimischen Künstlern möchte die Schau einen Überblick über die stilistische Weiterentwicklung Hodlers geben, weshalb Selbstporträts einerseits und Landschaften andererseits in eigenen Räumen hängen. Ein zurückhaltender junger Mann blickt aus dem ersten Selbstporträt, ein entschlossener aus jenem aus der Pariser Zeit, später ist der Bart grün, der Pinselduktus sehr frei. "Dieser Überblick zeigt die permanente Suche Hodlers nach sich selbst", sagt Wipplinger. "Bei den Landschaften sieht man, wie sich die Palette immer mehr aufhellt und wie er immer abstrahierter und fragmentarischer arbeitete. Zum Ende hin war er nicht mehr an Naturdarstellung, sondern am malerischen Konzept interessiert."

Wer kurz vor Ende der Schau glaubt, Hodler nun kennengelernt zu haben, dem wird abermals ein neuer Aspekt vorgeführt: Als seine Geliebte Valentine Godé-Darel im Sterben lag, dokumentierte Hodler diesen Prozess so eindringlich und in einer in der Kunstgeschichte kein zweites Mal bekannten Dichte. "Er wollte sie festhalten und gegen die Vergänglichkeit anmalen", beschreibt Wipplinger. Doch damit wollte er die Ausstellungsbesucher nicht entlassen, weshalb er die letzten Landschaftsbilder ans Ende stellt: Solche wie "Genfersee mit Mont-Blanc und rosa Wolken", die Hodler, schon an sein Haus gefesselt, zwei Monate vor seinem Tod malte, lassen erahnen, was er meinte, wenn er sagte: "Je mehr ich selbst der großen Einheit mich nähere, desto größer und einfacher soll meine Kunst sein."

Ferdinand Hodler bis 22.1., Leopold Museum Wien Mittwoch bis Montag 10-18 Uhr Donnerstag bis 21 Uhr www.leopoldmuseum.org

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