Einen eindrucksvollen Überblick über die zeitgenössische Graphik und Aquarellkunst in England bietet die vom British Council gemeinsam mit der Albertina veranstaltete Ausstellung, die der österreichischen Gegenwartskunst manche Anregung und Klärung schenken könnte. Der im Grunde beharrende Charakter der Briten offenbart sich auch in der Kunst; denn selbst dort, wo sie in das Gebiet radikaler Kunstauffassungen Vorstöße unternimmt, zeigt sie nicht klügelnde Experimentiersucht, sondern organische Entwicklung. Es fehlt das Sprunghafte, die Originalitätssucht um jeden Preis, das gewaltsame Zerstören der Formen, kurz, alle jenen Merkmale, die der österreichischen Kunst von heute das schmerzliche Stigma chaotischer Verwirrung aufdrücken. Dadurch wird es erklärlich, daß diesen englischen Künstlern, auch jenen, die zwischen 1870 und 1880, zum Teil sogar früher geboren sind, in ihren Werken eine Unmittelbarkeit und Frische erhalten geblieben sind, die das untrüglichste Merkmal für wirklich zeitlose Kunst sind. Aber auch die jüngere und jüngste Generation, die neue Wege sucht, wird durch die Präzision ihrer soliden Technik vor künstle- rischen Entgleisungen bewahrt. So sehen wir, daß selbst der Surrealismus eines Tu n- n a r d mit der Selbstverständlichkeit des organisch Gewordenen auftritt, schon deshalb, weil er in der Thematik begründet erscheint und das grauenhafte Kriegsgeschehen in gespensterhaften Visionen wiederzugeben versucht.
Auch dort, wo sich die Künstler von der naturalistischen Darstellung der Landschaft oder des Figuralen losgelöst haben, wird doch immer ihre Naturnähe spürbar, ver lieren sie sich niemals in bloßen intellek- tualistischen Spielereien.
Auch das Aquarell, diese in England traditionell besonders gepflegte Kunstgattung, ist neben der Graphik in dieser Ausstellung vorzüglich vertreten. Die in England so hochentwickelte Illustrationsgraphik wird in 25 erlesenen Beispielen gezeigt.
