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Nestroy ohne Süßstoff

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Ludwig Hirsch konstituiert sich als Nestroy-Schauspieler. Als Herr von Lips im „Zerrissenen” ist er ein echter Vormärz-Kapitalist, einer, der sein Nichtstun und seine Langeweile zur Schau trägt, ehe er zur eigenen Überraschung sein Herz entdeckt, und eine bessere Partnerin als Viktoria Schubert in der Rolle der Kathi könnte er schwerlich finden. Nestroy pflegte seine happy ends bekanntlich stets mit einem Schuß Ironie zu verbittern, das des „Zerrissenen” ist eines seiner positivsten. Hirsch und Schubert nutzen die Gelegenheit und legen, er der „verlebte verliebte Verlobte”, sie ein lieber Ausbund an Naivität, ein Liebespaar hin, bei dem alles stimmt.

Damit fügt sich die Aufführung gut in die Nestroy-Linie des Volkstheaters, die eine Art Mitte zwischen der langsam in Vergessenheit geratenden radikalen Sicht des einstigen

Spittelberg-Theaters und der Gruppe 80 und dem konventionellen, versüßlichten Nestroy des niederösterreichischen Theatersommers und einiger Wiener Theater hält. Konzeptiv nähert sich das VT damit Peter Grubers Schwechater Laien-aufführungen an, schauspielerisch können die aber natürlich nicht mithalten. Gerade bei Nestroy kann das VT aus dem Vollen schöpfen.

Rudolf Strobl ist ein Ausbund von grobem, aber nicht herzlosem Pächter Krautkopf, Michael Rastl ein Gluthammer, aus dem vielleicht noch ein echter Rebell werden kann, Rrigitte Neumeister eine Madame Schleyer, wie man sie sich vorstellt. Die Inszenierung (Erhard Pauer) ist flott, mit einem starken Schuß Realismus, sie zählt zu den besten Nestroy-Inszenierungen der letzten Jahre. So wird die aufregend neue Nestroy-Rezeption Georg Mittendreins im Soyfer-Theater und der Gruppe 80 spät, aber doch noch für die großen Theater produktiv. Daß sie es nicht viel früher wurde, ist eigentlich nicht zu verstehen.

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