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Zeitgenössischer Faust

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Ein Wasserbecken, wo sich normalerweise Bühne und Parkettsitze befinden: Derart ließ Regisseur Theu Boer-mans das Wiener Schauspielhaus umbauen, um „Faust” von Gustav Ernst erstmals auf deutsch zu inszenieren. Wer sich in das knöchelhohe Wasser begibt, ist dem Untergang geweiht. Zu Reginn steigt Faust (ausgezeichnet: Manfred Meihöfer) selbst in das dampfende Naß: kein Wissenschaftler, der nach Erkenntnis sucht, sondern ein hedonistischer Künstler, der mit seinen Performances eine pseudointeressierte Kultur-Schickeria unterhält. „Willst du den totalen Genuß?”, fragt ihn Mephisto (Beatrice Frey) und lädt Faust ein, die Gewalt, die er in seiner Kunst thematisiert, so richtig auszuleben. Faust willigt ein, als Opfer bieten sich einige - exakt gezeichnete - Figuren aus seinem Publikum an. Mit des Teufels Hilfe vernichtet er sie'alle, indem er gnadenlos ihre Lebenslügen aufdeckt. Nur Gret-chen, ein illegales Flüchtlingsmädchen, kann Faust für kurze Zeit das geben, wonach er eigentlich sucht: Sinn. Doch das monströse Ende gönnt niemandem die Erlösung. Jeglicher Sinn und jegliche Hoffnung werden verraten und - im wahrsten Sinne des Wortes - verkauft.

Ernst hat die Faustsche Sinnsuche treffend und pechschwarz in die heutige Zeit übertragen; nur in den philosophischen Passagen wird der Text intellektualistisch und betreibt damit etwas, gegen das er eigentlich ankämpfen will. Ein gutes Ensemble, eine hervorragende Aufführung. Aber Achtung: „Faust” ist verstörend, gewalttätig und obszön. Nicht jedermanns Sache. (Bis 15. November)

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