Crazy Horse, der Held der Oglala-Indianer, ließ sich leider nie fotografieren oder malen. Immerhin aber hat ihn Arnos Bad Heart Bull, ein Lakota, gezeichnet, wie er in der Schlacht von Little Big Horn auf einem weißen Pferd die fliehenden Truppen General Custers verfolgt. Das Bild ist eine von den hunderten exzellent gedruckten Abbildungen des dicken Bandes „500Nations",den man mit gutem Gewissen als Enzyklopädie der nordamerikanischen In-dianervölker bezeichnen darf. Alvin M. Josephy, dem Historiker, Autor vieler Bücher und ausgewiesenen In-dianerfachmann, gelang damit ein neues Standardwerk. Allerdings mit einer Einschränkung: Es fehlt darin die größte Indianernation Kanadas, die der Cree. Amerikas Norden wird ausgeblendet. Dies war eine Entscheidung der TV-Gewaltigen, denn der dicke Band entstand im Zuge einer anspruchsvollen Fernsehproduktion. Dafür wurden, erstmals in so einem Werk, die Indianerkulturen des heutigen Mexiko einbezogen.
Der Blickwinkel gibt dem Werk die Bedeutung. Josephy ist nicht nur ein Historiker in der amerikanischen Tradition, der ohne Abstriche von der Genauigkeit sehr gut erzählen kann. Er erzählt die Geschichte der amerikanischen Indianer vor allem konsequent aus deren eigener Sicht und läßt auch sie selbst, ihre historischen Persönlichkeiten ebenso wie heute Lebende, ausführlich zu Wort kommen. Damit ist dieses Buch weit mehr als nur eine Geschichte der Indianer — es ist eine Geschichte Amerikas, so, wie dessen Ureinwohner sie erlebten, die Geschichte eines Landraubes von ab stoßender Brutalität, die Geschichte einer Begegnung, wobei die Eindringlinge kein Mittel scheuten, die Indianer zu betrügen, zurückzudrängen und zu dezimieren. Völkermord hinterläßt stets auch Spuren in der Mentalität der 'Täter. (Iber die muß der Leser selbst nachdenken.
500 NATIONS - DIE ILLUSTRIERTE GESCHICHTE DER INDIANER NORDAMERIKAS
Von Alvin M. Josephy /r. Frederkiiig und Thaler, München 1996. 470 Seiten, 47S Farbbilder, Hin. öS 721
