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Pfahl im weißen Fleisch?

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Und wieder gibt es vier neue Bücher über Kultur, Geschichte und Untergang der nordamerikanischen Indianer. Was macht die- »ses Thema für Europäer und weiße Amerikaner (es handelt sich ja fast durchwegs um Übersetzungen von Werken aus den USA) so interessant? Karl-May- Romantik allein kann es nicht sein - drei der vier Neuerscheinungen haben in dieser Richtung überhaupt nichts zu bieten.

Das weiße Interesse konzentriert sich heute auf zwei Aspekte:

Auf die Kultur der nordamerikanischen Indianer und auf deren Vernichtung durch die Weißen, die nur als klassischer Fall von Völkermord bezeichnet werden kann. In der Faszination durch die Indianer scheinen sich zwei Dinge zu vermischen. Einmal das Interesse für eine an der Natur orientierte, dem Dienst an der Natur ebenso wie menschlicher Solidarität verpflichtete Denk- und Lebensweise, das Staunen angesichts der Integrität der Nordamerika-Indianer und ihrer Einheit von Sollen und Tun, oder, wenn man will, von Sein und Bewußtsein. Und anderseits so etwas wie schlechtes Gewissen ob der Zerstörung einer Kultur, die uns so viel hätte geben können.

Die Schattenseiten der abendländischen Kultur wurden von den nordamerikanischen Indianern nicht nur bitter erlebt, sondern auch mit außerordentlicher Schärfe erkannt, analysiert, formuliert - das Buch von T. C. McLuhan, „ … Wie der Hauch eines Büffels im Winter - Indianische Selbstzeugnisse“ erweist sie als Denker und Moralisten von hoher sprachschöpferischer Kraft. („Ihre Gesichter sind verzerrt von der Bemühung, wie ehrliche Männer auszusehen“ sagt Häuptling Großer Bär in einer Ratsversammlung über die Weißen.)

Die Lebensbeschreibung des Sioux-Medizinmannes Lame Deer, aufgezeichnet von einem Weißen, der dafür eigens die Sioux-Sprache Lakota erlernen mußte, spielt bereits in einem ganz und gar weißen Amerika, in dem es für den Indianer lange ums nackte Überleben und heute um einen mühsamen Prozeß der Selbstfindung geht, der immerhin dazu geführt hat, daß viele junge Indianer sich auf ihre eigenen kulturellen Traditionen besinnen. Lame Deer hat den Beginn dieses Prozesses noch miterlebt.

Aber die Indianer bedienen sich dabei auch von den Weißen übernommener Mittel - etwa der Methode, durch eine Hausbesetzung (der Indianer-Behörde in Washington) auf ihre Lage aufmerksam zu machen, oder der englischen Sprache, wenn Forrest Carter, ein Autor indianischer Abstammung, in seinem Roman „Wartet auf mich am Fuße des Berges“ den Untergang der Apachen und das Leben ihres letzten großen Häuptlings Geronimo spannend und mit offensichtlich an indianischer Erzähltradition ebenso wie an der Lektüre „weißer“ Romane geschulter Erzähltechnik beschreibt.

Eine Sonderstellung nimmt nur das vierte Buch ein: „Kasskara und die sieben Welten“. Josef C. Blumrich, NASA-Raketentech- niker österreichischer Herkunft, notiert und untersucht die Erzählungen des Hopi-Häuptlings Weißer Bär vor allem auf ihren „Wahrheitsgehalt“ im Sinne von Erich von Däniken.

..-WIE DER HAUCH EINES BÜFFELS IM WINTER. Indianische Selbstzeugnisse. Hoffmann- und-Campe-Verlag, Hamburg

1979,186 Seiten, davon 53 Bildseiten, öS 184,80.

TAH CA USHTE MEDIZINMANN DER SIOUX. Von John (Fire) Lame Deer und Richard Erdoes. List-Verlag, München 1979, 320 Seiten, öS 265,20.

WARTET AUF MICH AM FUSSE DES BERGES. Der Untergang der Apachen. Von Forrest Carter. Hestia-Verlag, Bayreuth 1979, 330 Seiten, öS 218,40.

KASSKARA UND DIE SIEBEN WELTEN. Weißer Bär erzählt den Erdmythos der Hopi-lndianer. Von Josef C. Blumrich. Econ-Ver- lag, Düsseldorf1979,35 Abbildungen, öS 249,60.

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