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Polgar

Das Alfred-Polgar-Lesebuch versammelt Texte der sechsbändigen, längst vergriffenen Rowohlt-Werkausgabe; aus den ersten drei Bänden dieser Ausgabe hat Harry Rowohlt das Lesebuch zusammengestellt. Ein zweiter Band mit den Kritiken Polgars ist für diesen Herbst angekündigt. Wie Harry Rowohlt dazu kam, einen "Alfred-Polgar-Reader" zusammenzustellen, erklärt er in einem launigen Vorwort, in dem wir einiges über Harry Rowohlt und wenig über Alfred Polgar erfahren. Der kleine Harry Rowohlt hat Polgar, der ja in Kleidung, Manieren und Sprache überaus penibel war, 1953 kennen gelernt und überliefert von ihm ein paar flapsige Sätze, die der Rezensent Herrn Rowohlt, mit Verlaub, nicht glaubt. Aber zum Buch: Harry Rowohlts Auswahl ist klug und erfrischend. Polgar einmal nicht als Kaffeehausbohemien, sondern als politischer Schriftsteller, der an der Seite von Kurt Tucholsky, Carl v. Ossietzky oder Ernst Toller in Publikationen wie der Weltbühne oder dem Tagebuch gegen den Faschismus anschrieb. Wir sehen Polgar als seismologisch genauen Beobachter, der aus Spurenelementen einer Alltagsgemeinheit mühelos und schlüssig den Ungeist und die Brutalität einer Epoche nachweist. Polgar gehörte neben Arthur Schnitzler und Karl Kraus zu jenen Schriftstellern, deren Federn sich nicht einmal 1914 zu einer einzigen patriotischen Zeile entschließen mochten. Polgars literarische Meriten zu rühmen, hieße - gerne würde ich den Vergleich mit den Eulen und Athen bemühen, wäre er nicht so abgegriffen. Kaum jemand hat sich solch präziser Sprache befleißigt, hat so prägnant formuliert. Polgars Humor, seine Nonchalance und seine Feinheit haben manchmal zur irrigen Annahme verleitet, was scheinbar so leichthändig geschrieben sei, habe nur geringes literarisches Gewicht. Für die, die Polgar nicht kennen, gibt Rowohlts Lesebuch nun eine schöne Gelegenheit, sich selber ein Urteil zu bilden. Thomas Ries

Alfred Polgar - Das grosse Lesebuch

Zusammengetragen von Harry Rowohlt

Verlag Kein & Aber, Zürich 2003

426 Seiten, geb., e 23,50

10 Jahre Ewigkeit

Etwas mehr als zehn Jahre und doch eine Ewigkeit. Es braucht oft nicht viel um ein Land in all seinen Dimensionen vor dem geistigen Auge erstehen zu lassen. Zum Beispiel die DDR. Wer die Geschichte des oppositionellen Liedermachers und Sängers Stephan Krawczyk "Der Narr" liest, meint, es genügen schon die Abkürzungen im täglichen Sprachgebrauch und das Warten auf einzelne Konsumgüter wie einen Trabi, wenn dies in einem knappen und ironischen Sprachduktus präsentiert wird. Nach wenigen Seiten befindet sich der Leser tief in einer anderen Welt. Unglaublich und unfassbar sind die kleinen und großen Gängelungen, die offenen und versteckten Lügen und die Möglichkeiten des Widerstandes.

Robert Streibel

Der Narr

Roman von Stephan Krawczyk

Pendo Verlag Zürich 2003

302 Seiten, geb., e 20,50

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