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Der Antiheld als wahrer Heros

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DER VERHINDERTE HELD. Roman von Brace Marshall. Deutscher Taschenbuchverlar, Band 367, München, 1966. 286 Seiten. S 38.10.

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DER VERHINDERTE HELD. Roman von Brace Marshall. Deutscher Taschenbuchverlar, Band 367, München, 1966. 286 Seiten. S 38.10.

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Der Schotte Bruce Marshall, der von sich behauptet, er gelte in Schriftstellerkreisen als begabter Buchhalter, bei Buchhaltern aber als talentierter Dichter, zählt zu den meistgelesenen Romanciers unserer Tage. Das Ziel dieses Moralisten ist die Entlarvung des Bösen, das sich hinter den verschiedensten Masken verbirgt. Das Böse ist aber bei Marshall nicht ein abstraktes Prinzip, eine chemisch gereinigte Antithese zum Guten, sondern eine Verknüpfung von sehr konkreten, lebendigen, erklärbaren und vor allem sehr menschlichen Umständen. Und in dieser Erkenntnis des Menschlichen (das heißt des letztlich Verzeihung Findenden) in allem Bösen entlarvt Bruce Marshall das Böse durch Spott

— oft zornig, oft auch heftig anklagend, aber doch immer auch verstehend. Hinter der hohlen Phrase, hinter der geschäftigen Lieblosigkeit, wird nicht der Dämon sichtbar gemacht, sondern die armselige, törichte Kreatur.

Der „verhinderte Held“ ist der britische Berufsoffizier Strang Methuen, der vom Schicksal (scheinbar) ganz und gar vernachlässigi wird, der im Privat- und Berufsleben erfolglos bleibt. Ihm wird der Karrierist Hermiston gegenübergestellt, maßlos ehrgeizig, eitel und feige, der den Lebensweg Methuens immer an dessen entscheidender Punkten kreuzt und seinem Gegenspieler sogar dann Schaden zufügt wenn er die besten Absichten hat Die Geschichte dieser beiden Menschen, des schließlich erfolglos Resignierenden und des Erfolgreichen hinter dessen aufgeblähter Fassade Einsamkeit und Trostlosigkeit spürbar sind, wird mit der scharfen Ironie erzählt, zu der ein Bruce Marshall fähig ist. Aber neben allem Spotl und allem Zorn, neben der Paradoxie und dem Widersinn steht immer Güte und Verständnis. Bruce Marshall spricht kein Urteil, er bittel um Milde.

Der „verhinderte Held“ Methuen ist den anderen unheldischen Helden Bruce Marshalls eng verwandt. Er ist der von seiner Umwelt verkannte, immer zurückgesetzte Antiheld, der sub specie aeternitatis aber in der besseren Position ist — weil er dem oberflächlichen, dummen, nur äußerlich erfolgreichen Pseudorationalismus die Kraft des Glaubens entgegenzusetzen hat. Father Malachias in „Das Wunder des Malachias“ ist ebenso ein unheldischer Held wie Father Smith in „Alle

Herrlichkeit, ist innerlich“, wie der Abbe Gaston in „Keiner kommt zu kurz“, wie der Oberst Nicobar in „Die rote Donau“ und wie der Buchprüfer Dugommier in „Auf Heller und Pfennig“: verhinderte Helden, die in Wahrheit doch Helden sind.

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