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Don Quijote in Paris

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Regisseur Otto Kroneder entführt seine Gäste zu den Abenteuern des grotesken Herrn Cyrano von Berge-rac, von Edmond Rostand arrangiert, und ab September auch heuer noch einmal zu Anouühs „Jeanne oder die Lerche“. Der Griff nach Rostand war verdienstvoll, weil die überhaupt vielleicht am meisten gespielte französische Komödie mit dem, ach, so bitteren Ende hierzulande viel zu selten zu sehen ist. Aber auch gewagt und hier nicht ganz geglückt: Was in Kroneders flotter, munter bewegter Inszenierung nicht spürbar wird, ist Rostands Technik, Existenz im Spiegel des Bewußtseins zu gestalten. Und eigentlich nur dort.

Rostand verurteilt seine romantisch-skeptische Welt, eine Traum- und Märchenwelt, in der Helden an lächerlichen Unvollkommenhelten scheitern, zur bloß halben Wirklichkeit. Und halbe Wahrheiten zu addieren, aus Unvollkommenheit (hier Cyrano, dort Christian) das Ideale zu synthetisieren, ist kunstvolles Spiel, das in artistisch-preziöser Manier vorgetragen sein will. Kroneder führt seine Schauspielerschar zwar geschickt durch alle Klippen, die für solch raffinierte Poesie auf einer Freilichtbühne überall lauern, er zeichnet Profile scharf, meißelt heitere Pointen heraus. Aber Rostands arrangierte Literaturgeschichte (etwa in der Balkonszenenpersiflage ä la „Romeo und Julia“) wird in ihrer kühlen Distanziertheit nicht Ereignis. Das ist nicht Frankreichs letzte große Skeptikerromanze desFin de Siecle. Das ist nicht Spiel mit und um Literatur, nicht Sehnsucht nach der irrealen Existenz.

Immerhin, es ist eine effektvolle,

vehemente, laute Aufführung, an der das Publikum seinen Spaß hat. Herbert Tamare schuf dafür auf dem treppenreichen Spielgelände ein silberschimmerndes praktisches Szenenbild, das im Nu verwandelt ist.

Fürs dramatds personae hat man sich zwei TV-Stars geholt, die ohne Zweifel Atmosphäre in die Szenen bringen: die reizende Durbridge-Lady Alwy Becker, eine liebliche Precieuse Roxane, auch wenn sie keine Ahnung hat, daß ihr Spiel den Sinn ihrer Rolle, die Aufhebung der romantischen Naivität, ins totale Gegenteil verkehrt. Und Hans von Bor-soäy als gezeichneten Cyrano. Er bringt Tempo, Knistern,. elektrische Spannung auf den Pfarrplatz und in den Holzverbau. Als... Draufgänger,,' Schelm. Die Spannung zwischen Don Quijote im Innern und zuviel Realität (einer Nase) im Außenleben steht er nicht durch. Der Ausgleich durch Skepsis wird zum Konversations-parlando. Rostands Philosophem vom Leben als Schauspiel verdreht sich.

Blaß, sehr blaß, mein Freund! Das möchte man Reinhard Reiner zurufen, der für den Schönling Christian nicht einmal graziöse Eleganz, Charme entfaltet. Einen raunzig-schleichenden Grafen Guiche stellt Peter Gerhard auf die Bretter, einen biedermeierlich sorgenden Freund Cyranos Curth A. Tichy.

Pauschallob für alle Beteiligten, die sich tapfer mit ihren Partien schlagen. Kunststück, Gascogner sind's. Und die machen allemal gleich Leben in der Bude. Ein nettes Amüsement zum Wochenende.

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