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Eines rauhen Lebens kurzer Tag

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DAS RAUHE LEBEN. Auswahl. Von Alfons Petzold. Bearbeitung: Dr. Heinz Scholz, im Einvernehmen mit der Witwe des Dichters, Frau Hedwig Petzold. österreichischer Bundesverlag, Wien und München, 1964. 188 Seiten. Preis 58 S.

Die deutsche Literaturgeschichte ist mit dem Österreicher Alfons Petzold nicht sehr freundlich verfahren. Sie hatten draußen ihre eigenen Arbeiterdichter, Engelke und Lersch, Bartel und Bröger und andere, mußten aber in den Jahren 1933 bis 1945 erleben, daß nicht alle von ihnen die Fahne makellos hielten …

Aber auch in seiner österreichischen Heimat hat es mit dem Standort Alfons Petzolds (1882 bis 1923) sein Kreuz. Die ganz natürliche Entwicklung seiner Art vom Proletarier zum Weltenbürger, vom kreatürlich- revolutionären Aufschrei zum flutenden Expressionismus des Gott- und Menschensuchers will hüben und drüben noch immer nicht einleuchten, obwohl sein Werk (41 Gedicht und Prosabände sowie elf posthume Ausgaben) heute offen vor uns liegt.

Liegt es wirklich? Wieviel davon ist nur mehr zufällig in Antiquariaten zu greifen, wieviel ist endgültig verschollen!

Um so willkommener ist der jüngste Versuch, das Herzstück des Petzoldschen Werkes, seine Autobiographie, dem heutigen Leser näherzubringen. „Das rauhe Leben” erschien erstmals 1920, wurde 1926 ins Englische übertragen und 1932 in Graz und 1940 und 1947 in Wien neu aufgelegt. Es war trotzdem in den letzten Jahren nur schwer erhältlich. „Das rauhe Leben” ist nicht Petzolds dichterisch bedeutsamstes Werk (wie überhaupt „Lyrik voller und eigenständiger als seine Prosa klingt), aber ein literarhistorisch und soziologisch bedeutendes Dokument. Liebevolle, durchaus zuständige Hände haben jetzt, nicht nur sprachglättend und kürzend, in den Text eingegriffen, um das Werk der Nachwelt zu erhalten. Dem Literarhistoriker mögen manche Hinweise des Dichters aus der Originalausgabe über seine literarischen Anfänge fehlen, doch findet gerade er sie leichter in Bibliotheken. Unangetastet geblieben ist der stampfende Rhythmus eines verzweifelten, nach Freiheit und Schönheit strebenden Proletarierdaseins um die Jahrhundertwende, das trotzig und zäh, zugleich aber auch unendlich zart und trunken von Schönheitssinn alle seine Fesseln gesprengt und trotz des frühen Todes seines Trägers (Petzold starb 41jährig) zum Ziel gelangt ist: einem reifen, runden, gültigen österreichischen Dichterwerk.

Alfons Petzolds Gedichte fehlen in keinem österreichischen Lesebuch. Seine Kurzerzählungen und Skizzen kursieren in guten Neuausgaben. „Das rauhe Leben” aber weist über alte Nöte und neuen Wohlstand hinaus in eine ungewisse Zukunft, in der allen sozialen Wandlungen zum Trotz eines immer Glanz und Geltung haben wird: der Herzschlag des Dichters, das schöpferische Wort.

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