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DAS UNGESUNGENE LIED
In den „Versen der Liebe: Das neue Fest“ hat der österreichische Dichter Alfons Petzold seine erste Frau Johanna, gestorben 1914, „in Gloria und Herrlichkeit“ von seiner Trauer um sie auf Erden erfahren lassen. In der Nacht tritt sie verklärt an das Bett eines Mädchens und leiht ihm „einen Strahl ihres himmlischen Lichts, ihr Herz und das Lächeln ihres Gesichts“, mit dem hohen Auftrag an die Schwester, sein dunkles Haus wieder fröhlich zu machen.
Frau Hedwig Petzold, die Witwe des Dichters, die in diesen Tagen in aller Stille ihren 70. Geburtstag feierte, hat diesen Auftrag in besonderem Sinn weit über den Tod des geliebten Mannes hinaus erfüllt. Sie konnte ihm nach ihrer Begegnung in Gries bei Bozen 1915 Glück, in den folgenden Kriegsjahren Frieden und im großen Sterben ringsum drei blühende Kinder schenken (deren eines sich freilich nach zwei Jahrzehnten wieder ein Krieg holen sollte). In das Leben des bis dahin von Armut und Krankheit gemarterten Mannes traten von da ab Ruhe, Sicherheit, Selbstvertrauen und künstlerische Reife, äußerlich versinnbildlicht durch ein schönes Heim in Kitzbühel, das alsbald zum Treffpunkt europäischer Künstler wie Stefan Zweig, Felix Braun, Käthe Braun-Prager, Willi Bur-mester und vieler anderer wurde.
Grausam schlug der Tod in die kaum achtjährige Ehe. Am 26. Jänner 1923 schloß Alfons Petzold vierzigjährig die Augen, als echter Österreicher, das heißt ewig Vollendet-Unvollendeter, ein reiches veröffentlichtes Werk, aber auch eine Fülle loser Blätter hinterlassend.
So verständnisvoll, wie Frau Petzold, Sprossin aus der geachteten tirolischen Gelehrtenfamilie Gamillscheg (ihr 3ruder Ernst, Romanist in Wien, Innsbruck, Berlin, zuletzt Tübingen, ist erst kürzlich von der Wiener Universität anläßlich seines goldenen Doktorjubiläums geehrt worden; ein zweiter Bruder, Friedrich, lebt in Graz) das Schaffen des Lebenden gefördert hatte, hat sie sich in den letzten Jahrzehnten mit der ganzen Aufopferung ihrer hohen Geistes- und Herzenskultur, klug die Gegensätze der Freunde des Dichters ausgleichend, für das Werk und die Fortdauer des Toten eingesetzt. Mindestens neun Auswahlbände sind nach dem Tode Petzolds seinen über fünfzig Veröffentlichungen zu Lebzeiten gefolgt. Der Dichter lebt aber auch in zwei Kindern fort, zwei Töchtern, deren eine, Gattin des bekannten Bekleidungshauschefs Stefan Esders in Wien, wieder zwei Kindern das Leben geschenkt hat; auch die zweite Tochter ist bereits Mutter.
Das Lied der großen Mütter ist schon tausendfach erklungen. Das Lied der Dichter- und Musiker-Frauenliebe und -treue über den Tod hinaus, das rührende und fleißige Sichten und Sorgen der Alma Werfel, Lilly Wildgans, Tilly Wedekind, der Witwe des Komponisten Franz Schmidt und vieler anderer, zu denen seit Jahren auch Hedwig Petzold zählt, ist noch nicht gesungen.
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