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Kein Weiß-Alibi für Brecht

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Ein Heer von Kritikern und Theaterfans, wer im Theater Rang und Namen hat (und wer sich für prominent hält), war ins Zürcher Schauspielhaus gepilgert, um der Uraufführung von Brechts „Turandot oder der Kongreß der Weißwäscher“ beizuwohnen. Inmitten' der recht stattlichen Brecht-Gemeinde: Helene Weigl, die Witwe des Autors, die sich während der Vorstellung, eifrig Notizen machte. Benno Besson, einer der großen Regisseure, sollte in j Zusammenarbeit mit seinem Bühnenbildner und Mitinszenator Horst Sagert (beide aus Ostberlin) für eine künstlerische Sensation gut sein. -Die Sensation blieb aus, dafür wurde es ein Theaterabend, d hifeBia* isteuseMWien auslöste. ueem

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Ein Heer von Kritikern und Theaterfans, wer im Theater Rang und Namen hat (und wer sich für prominent hält), war ins Zürcher Schauspielhaus gepilgert, um der Uraufführung von Brechts „Turandot oder der Kongreß der Weißwäscher“ beizuwohnen. Inmitten' der recht stattlichen Brecht-Gemeinde: Helene Weigl, die Witwe des Autors, die sich während der Vorstellung, eifrig Notizen machte. Benno Besson, einer der großen Regisseure, sollte in j Zusammenarbeit mit seinem Bühnenbildner und Mitinszenator Horst Sagert (beide aus Ostberlin) für eine künstlerische Sensation gut sein. -Die Sensation blieb aus, dafür wurde es ein Theaterabend, d hifeBia* isteuseMWien auslöste. ueem

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Das im Jahre 1954 entstandene Werk (ursprünglich sollte „Twajidot“ eine Rolle für Carola Neher geben) geht mit der bekannten Turandot-Fabel recht freizügig um. Freilich darf auch bei Brecht eine blutrünstige Turandot wüten, aber das Hauptgewicht liegt doch bei den Tuis. Die Tuis (Abkürzung für Teilekt-Uell-Inn) stehen stellvertretend für das Versagen der Intellektuellen in unserer Zeit. Intellektuelle, welche sich skrupellos mit den, Machthgbern verbinden und sich dadurch d. Korruption schuldig machen. Sie haben die Aufgabe, den Kaiser, der die Baumwollernte Chinas in seinen Lagerhäusern zurückhält, um die Preise in die Höhe zu treiben, vor der Öffentlichkeit weißzuwaschen. Zu diesem Zweck wird ein eigener Tui-Kongreß einberufen. Sämtliche Tui-Größen entpuppen sich jedoch als klägliche Lügner, und Turandot weiß darauf nur „Kopf ab, Kopf ab“ als Antwort. Schließlich wird Gogher Gogh, ein gefürchteter Straßenräuber, zum Drahtzieher der Macht, indem er die Schwächen des kaiserlichen Hofes brutal ausnützt.

Erwähnenswert die positive Wandlung des Bauern Senn, der sich aus einem naiven Tui-Anbeter zu einem entschiedenen Kai-Ho-Anhänger entwickelt. Kai Ho, der oft genannte Revolutionär, ist die treibende politische Kraft des Stückes, obwohl er nie in Erscheinung tritt. — Brechte beißende Satire ist ohne Zweifel auf den kapitalistischen Staat gemünzt, dennoch ließe sich das Gesagte mit ebensolcher Bestimmtheit auf jedes kommunistische System beziehen. Nicht zu leugnen j die Gedanken-scharfe Brechts, die diesem Stück auch heute noch eine beängstigende Aktualität verleibt. Die dramaturgischen Stärken und Schwächen freilich stehen auf einem anderen Blatt. Die zehn Bilder scheinen wenig theaterwirksam aneinandergereiht, so daß der von manchen geäußerte Verdacht, es käme eine kulinarische Aufführung zustande (für Brecht-Puritaner eine Todsünde!), sich als • nicht stichhaltig erwies.

Sagert lieferte Besson eine Bühne ganz weiß in weiß, jedoch auch dieser optische Trick vermochte das Brecht-Stück nicht von seinen Fehlern reinzuwaschen. Dabei hielt sich Besson an Brechts Anweisungen, schnell zu spielen und schwerelose Bauten zu verwenden. Auch hielt er sich streng an den Text (nach dem Manuskirpt im Suhrkamp-Verlag). Abwechslung in die Monotonie vieler Szenen brachte vor allem die Musikunter-malung von Yehoshua Lakner zu den spärlichen Songs. — Erwin Parker gab einen dümmlich-raffinierten Kaiser und Erla Prollius eine sexyunterkühlte Turandot. Peter Ehrlich genoß sein Straßenräuberdasein -ehenso wie deri* Sprung zur'Mächt',31'0 während Otto Mächtlinger als Bauer Sen fast ein wenig eidgenössisch-; bieder wirkte.

Fazit: Zürich ist um eine Brecht-Aufführung (es war die vierte) reicher geworden und vor allem um einen Theaterabend, über den sich stundenlang streiten ließe.

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