Wolfspelz Illu.jp - © Illustration von Sid Sharp © 2023 NordSüd Verlag

„Der Wolfspelz“: Das Schaf im Wolfspelz

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Ein spannendes Kinderbuch, das bestens unterhält und eine Ermutigung für seine Leser und Leserinnen ist, an sich zu glauben und der Welt so zu begegnen, wie man ist.

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Ein spannendes Kinderbuch, das bestens unterhält und eine Ermutigung für seine Leser und Leserinnen ist, an sich zu glauben und der Welt so zu begegnen, wie man ist.

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Bellwidder lebt ganz allein in einem Häuschen am Waldrand – und kommt damit offenbar gut zurecht. Nächstens träumt das freundliche Schaf von Blumen, die es am Morgen munter – vor Blümchentapete – zum Frühstück verspeist, um dann fröhlich hineinzutanzen in den Tag. Den es ebenso bezaubernd findet wie sich selbst. Alles gut also?

Nun ja, nur so lange, bis aus dem Wald ein schreckliches „AUUUUUUU“ herübertönt und die Schatten auf der Blumenwiese beim verstohlenen Blick aus dem Fenster lange Krallen haben und grässliche Zähne im aufgerissenen Maul. Allein die Vorstellung von einer Begegnung mit Wölfen lässt dem Schaf vor Angst die Knie schlottern, ein trotziger Versuch, sich in den Wald zu wagen, endet mit panischer Flucht zurück ins Haus. Weil aber die Brombeeren knapp werden und Bellwidder den Duft der Blumen und das Singen der Vögel so sehr vermisst, überlegt er sich eine Strategie: Mit einem selbstgenähten Wolfskostüm will er zum Schein die Seiten wechseln, als Schaf im Wolfspelz will er ungefährdet den Wald durchstreifen, sich nicht mehr fürchten müssen, sondern eher selbst Angst und Schrecken verbreiten. Der Plan scheint aufzugehen: Als Bellwidder auf seiner Suche nach Brombeeren einem Rudel Wölfe begegnet, erkennen die ihn als ihresgleichen und wollen mit ihm zusammen den Mond anheulen …

Die Umkehrung des Motivs vom Wolf im Schafspelz ist der Erzählkern von Sid Sharps Debüt „Der Wolfspelz“, das mehr Comic ist als Bilderbuch. Auf 136 Seiten und in sechs Kapiteln wird – einer Spannungsdramaturgie verpflichtet – eine Geschichte über Identität, Angst und Selbstermächtigung erzählt. Dabei ist der von Alexandra Rak aus dem Englischen übersetzte Text maximal reduziert, viele Doppelseiten kommen ganz ohne Worte aus. Die Bilder sind von einer kraftvollen und kontrastreichen Farbigkeit, Dynamik entsteht auch durch den Wechsel der Seitenarchitektur: Einmal füllt eine Illustration eine ganze oder gar Doppelseite, dann wieder wird das Tempo mit zwei, drei oder vier Panels pro Seite erhöht. In hellen Momenten ist der Schauplatz dieses Abenteuers gut ausgeleuchtet, auf strahlenden Grüntönen blühen rote Blumen. Aber es gibt hier viel Schatten, und auch der Gegensatz zwischen dem Weiß des Schafspelzes und der tiefen Schwärze des Waldes sorgt für erheblichen Grusel. Am Ende immerhin geht die Geschichte für Bellwidder gut aus, und er kann wieder ganz er selbst sein. „Der Wolfspelz“ ist eben nicht nur ein spannendes Kinderbuch, das bestens unterhält, sondern auch eine Ermutigung für seine Leser und Leserinnen, an sich zu glauben und der Welt so zu begegnen, wie man ist.

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