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Manier und Mode

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Im Rahmen seiner Frühjahrsaussteliung zeigt das Wiener Künstlerhaus eine Ausstellung von Plastiken und Zeichnungen des italienischen Bildhauers Emilio Greco, die in mehr als einer Hinsicht bemerkenswert erscheint. Greco ist einer der wenigen, heute noch figurativ arbeitenden Plastiker, denen es gelang, internationalen Ruf und Geltung zu erreichen. Die Enttäuschung, welche diese Ausstellung auslöst, hat ihren Grund nicht in der traditionellen Formulierung der menschlichen Gestalt, die sie bei Greco findet, sondern in der ungenügenden Kraft, mit der in ihr plastische Werte zur Darstellung kommen. Das Hauptthema Grecos ist die weibliche Figur, und zwar in jenem Aspekt, den die Amerikaner als „langstielige Schönheit“ bezeichnen: ephebenartige, langbeinige Teenager, graziös und preziös posiert. Ihre Körper sind bewegt in den Raum hinein verschraubt, elegant und glatt — zu elegant und zu glatt —, affektiert und maniriert. Es ist eine Plastik der Dekadenz, die mehr auf die Wirkungen der Silhouette ausgeht als die der Massen, die das eigentliche Leben der Plastik ausmachen. Dazu kommt, daß die Formen bei Greco nicht auf ihren eigentlichen Kern zurückgeführt werden, ihre geheime Geometrie nicht in Erscheinung tritt und daher die einzelnen Ebenen nicht erfaßt und auch nicht dargestellt werden. Seine Vereinfachungen sind nicht künstlerische Reduktion, sondern Glättungen, und werden nicht von der Vorstellung der organischen Funktion belebt. Das sieht man am stärksten an seinen Köpfen, in der Behandlung der Augen, dem deformierenden Schwergewicht, das eine Wangenpartie plötzlich bekommt, der Unfähigkeit, eine klare geschlossene Form zu bilden. Darüber kann auch die gelegentlich angestrebte Archaisierung im Sinne etruskischer Plastik nicht hinwegtäuschen, das Volumen bleibt zu gering und wird zugunsten des Bizarren vernachlässigt. Greco scheint sich allerdings der fundamentalen Spannungslosigkeit seiner Form bewußt zu sein, sonst würde er nicht versuchen, sie durch die Einschnürungen der Bikinis (was für eine

Absurdität als plastisches Element l), mit denen viele seiner Figuren „bekleidet“ sind, zu unterbrechen. Das sind Hilfsmittel, die vergeblich suchen, Akzente zu setzen. Die Zeichnungen bestärken nur den Eindruck einer Manier, die vom Modischen her bestimmt wird. Auch in ihnen sind die Brüche in der plastischen Vorstellung augenfällig und werden — wie in den Plastiken — von der Virtuosität des Vortrags nicht hinweggeräumt. Oberflächlichkeit, die an virtuosen Kitsch grenzt.

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