7132149-1997_30_11.jpg
Digital In Arbeit

Unsinnliche Liebe

Werbung
Werbung
Werbung

Robert Wilson liebt würdevolles Schreiten, langsame Bewegungen, bedeutungsschwere Gesten. Und setzt man im Musiktheater sonst auf blitzschnelles Funktionieren des Reiz-Reaktionsschemas, so scheint er dieses geradezu lustvoll aufzuheben. Verständlich, daß er sich von Stücken zwischen Traum und Wirklichkeit faszinieren läßt: Er hat seit gut eineinhalb Jahrzehnten seinen „Stil der Veränderungen und Verwandlungen in Zeitlupe” kultiviert. Für die Salzburger Festspiele bereitete er nun im Großen Festspielhaus Claude Debussys „Pelleas et Melisande” - eine Inszenierung für die Pariser Oper wieder auf.

Auch Debussys Märchenfiguren läßt er lautlos durch ihre Kunstwelt gleiten, die die seine ist: Melisande, das Mädchen aus dem Wald, das von Golaud gefunden und geheiratet wird, zieht am Hof König Arkels ein. In eine Welt, die sie nicht versteht - und von der sie nicht verstanden wird. Sie fühlt sich zu Pelleas hingezogen: Bei Wilson bleibt aber diese Liebe, der die Katastrophe mit Mord und Tod folgt, eine Liebe auf Distanz.

Kühl und unwirklich, ja unsinnlich.

Wilson baut rund um die Liebenden seinen Kosmos der 1 räume. In blaues Licht gehüllt, von schwarzen Stoffbahnen und Schleiern umgeben, wehen sie wie Schatten durch leere Bildräume, fügen sich in einen Schreittanz, den ein unergründliches Schicksal - und Wilsons Hang zum leeren Pathos - ordnen.

Das wirkt oft spannungsarm, gekünstelt. Und Wilson macht auch kaum den fühlbaren Herzschlag von Debussys sanft und kühl schimmernder Musik und seiner Figuren spürbar. Dank eines beherzten , Sängerensembles, das Debussys musikalischen Ge-stus mit schlanken Stimmen und bemühter Pianokultur nachvollzieht, ist aber noch Leben vorhanden: Dawn Upshaw und Russell Braun als sanftes, verdämmerndes Liebespaar in seiner Traumwelt; Robert Lloyd und Nadine

Denize als mildes Königspaar; Victor Braun als allzurauher Golaud; ein Solist des Tölzer Knabenchores als Yniold. Sylvain Gambreling am Pult des Philharmonia Orchestra spannt einen Klangteppich von wenig Farbigkeit aus, der die Stimmen trägt, aber nicht prächtig umhüllt. Nur kurzer Jubel.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung