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Verlorene Jugend

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Der aus Wien emigrierte Amerikaner Frederic Morton schildert in diesem Roman die Welt eines bestimmten Kreises der amerikanischen Jugend aus dem Blickwinkel eines intelligenten, lebenshungrigen und kritischen Zwanzigjährigen. Iris Leavis hat das Hunter College eben verlassen und geht nun „hartgesotten, unempfindlich und praktisch“, wie sie sich selbst charakterisiert, auf Karrierejagd. Sie versucht auf geraden und auf krummen Wegen, in der Presse eine Anstellung zu finden. Und sie verliebt sich schließlich in einen jungen Mann, der nicht recht mit ihrem beruflichen Ehrgeiz und ihrem antibürgerlichen Boheme-Ideal in Einklang zu bringen ist. Iris' berufliche Ambitionen scheitern genauso, wie ihre Liebe in Ansätzen steckenbleibt. Diese Erfahrungen und Fehlschläge führen sie schließlich zu einer Kompromißbereitschaft gegenüber den Gegebenheiten des Lebens, die viel Resignation in sich schließt.

Morton schildert anschaulich die zum Dogma erhobene Protesthaltung junger amerikanischer Intellektueller gegenüber gesellschaftlichen und moralischen Konventionen. Iris und ihr Bruder kranken vor allem an der muffig-spießigen Atmosphäre ihres kleinbürgerlichen Elternhauses, dem sie anderseits durah eine absurde Haßliebe verbunden bleiben. Für die Lösung dieser und anderer Gefühlskonflikte — als Voraussetzung einer echten inneren Befreiung — finden sich keine überzeugenden Ansätze in dem Buch. Es bleibt der Zwiespalt zwischen Zynismus und Verzweiflung („Wir sind ausgebrannte, bodenlose Fälle... Wir sind elend ...“), zwischen Pseudo-Weltschmerz und echter Traurigkeit. Es bleibt ein gewissermaßen freischwebender Intellektualismus und eine losgelöste Sexualität, die der Entwicklung zur harmonischen Persönlichkeit im Wege stehen.

Das gescheite und gut geschriebene Buch hat viel Lob und Anerkennung bei bedeutenden und namhaften Literaturkritikern gefunden. Der Roman ist zweifellos ein freimütiges Dokument der Lebensgewohnheiten und Verhaltensweisen eines Teils der amerikanischen Jugend. Aber die Darstellung der zwischenmenschlichen Beziehungen kommt über das Stadium puber-tärer Entgleisungen und Unreife kaum je hinaus. Das mag “Jen tatsächlichen Gegebenheiten in den geschilderten Kreisen entsprechen, hinterläßt aber — zumindest beim europäischen Leser — ein Gefühl der Leere und des Aufbegehrens. Wenn auch bei uns sehr viel nicht stimmt — so weit sind wir noch nicht, trotz Fran?oise Sagan und Genossen.

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